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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Bruder durch einen überirdisch lieblichen Duft auf, der im Hause hin und her schwebte. Die Lampe wird wohl ausgebrannt gewesen sein, denn kein Tahitier würde sich im Dunkeln niedergelegt haben. Eine Weile lag er so voller Entzücken, dann rief er auch die anderen herbei. »Riecht keiner von euch den Blumengeruch?« erkundigte er sich. »O ja,« erwiderte sein Schwager, »daran sind wir hier gewöhnt.« Am folgenden Morgen gingen die beiden Männer spazieren, und der Witwer gestand seinem Schwager, daß seine Frau ständig das Haus besuche, ja, daß er sie einmal sogar gesehen hätte. Sie hätte die gleiche Gestalt und Kleidung wie zu ihren Lebzeiten gehabt, und sei auch mit Blumen geschmückt gewesen: nur hätte sie sich leicht schwebend ein paar Zoll über dem Erdboden bewegt und sei auch trockenen Fußes über den Flußspiegel geglitten. Und jetzt kommen wir zu dem fraglichen Punkte: Stets habe sie nur ihre Rückseite gezeigt, und die Schwäger wurden sich, während sie die Sache erörterten, einig, das hätte seinen Grund darin, daß sie die Spuren der Verwesung verbergen wolle.
    Und nun meine samoanische Geschichte. Ich verdanke sie der Freundlichkeit des Herrn Dr. F. Otto Sierich, dessen Sammlung folkloristischer Erzählungen ich mit Spannung entgegensehe. Ein Mann auf Manu'a hattezwei Frauen geehelicht, ohne Kinder von ihnen zu bekommen. Er ging daher nach Sawaii, heiratete dort ein drittes Mal und hatte mehr Glück. Als seine Frau ihre Stunde kommen fühlte, erinnerte er sich, daß er hier in einem fremden Lande nur ein armer Mann sei, und daß er sich, wenn das Kind geboren würde, wegen der Geringfügigkeit seiner Geschenke schämen müßte. Vergeblich suchte seine Frau ihn von dem Gegenteil zu überzeugen. Er kehrte zu seinem Vater nach Manu'a zurück, um bei ihm Hilfe zu suchen, und machte sich mit dem, was er in der Eile erraffen konnte, noch in der gleichen Nacht auf den Rückweg. Nun hatten aber seine Frauen von seinem Kommen erfahren; sie waren zornig, daß er nicht blieb, um sie zu besuchen, fingen ihn am Strande bei seinem Kanoe ab und töteten ihn. Währenddessen lag seine dritte Frau in Sawaii im Schlaf; ihr Kind war inzwischen geboren worden und schlummerte an ihrer Seite; da wurde sie von dem Geiste ihres Gatten geweckt. »Stehe auf,« sagte er, »mein Vater liegt krank auf Manu'a, wir müssen ihn besuchen.« »Gut,« sagte sie, »nimm du das Kind, während ich die Matten trage.« »Ich kann das Kind nicht nehmen,« antwortete der Geist, »ich bin vom Meere her zu kalt.« Als sie an Bord waren, roch die Frau den Leichengeruch. »Wie kommt das?« fragte sie. »Was hast du in dem Kanoe, denn ich spüre Leichengeruch?« »Nichts ist in dem Kanoe«, entgegnete der Geist. »Es ist nur der Landwind, der von den Bergen weht, wo irgendein Tier verendet ist.« Es scheint noch dunkel gewesen zu sein, als sie Manu'a erreichten – wohl die rascheste Überfahrt, die je gemacht wurde – denn alssie in das Innere des Riffes einfuhren, sahen sie die Totenfeuer im Dorfe brennen. Wieder bat sie ihn, das Kind zu tragen, jetzt aber brauchte er sich nicht mehr zu verstellen. »Ich kann dein Kind nicht tragen,« sagte er, »denn ich bin tot, und die Feuer, die du brennen siehst, sind die Feuer meines Begräbnisses.«
    Wer neugierig ist, kann in Dr. Sierichs Buch den unerwarteten Ausgang dieser Geschichte lesen. Das Obige genügt für meine Zwecke. Obwohl der Mann eben erst gestorben war, war sein Geist doch schon verwest, als ob Verwesung das Merkmal, ja die Quintessenz der Geister sei. Die Totenwache auf den Paumotu dauert nur zwei Wochen, und man sagte mir, dieses sei die Zeit, die eine Leiche zur Auflösung brauche. Der Geist, der stets die Zeichen der Verwesung an sich trägt – Gefahr, die mit dem Zerfallsprozeß ihr Ende zu nehmen scheint – hier bieten sich verführerische Möglichkeiten von Kombinationen für einen Liebhaber von Theorien. Doch all solche Theorien sind unhaltbar. Die Dame mit den Blumen war schon lange tot und ihr Geist trug angeblich immer noch die Zeichen der Vergänglichkeit an sich. Der Gouverneur war weit über vierzehn Tage in der Erde verscharrt und ging als Vampyr noch immer um.
    Von dem Herumirren der Toten im Fegefeuer, von der wüsten mangaischen Sage zu erzählen, nach der es infernalische Gottheiten gibt, die die Seelen aller Verstorbenen verzaubern und vernichten, von den verschiedenen submarinen und ätherischen Zwischenwelten zu berichten, wo die Toten schwelgen, müßig
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