Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
Azoglu insgeheim fürchtete. Er fragte dennoch, musste fragen: »Und wenn die Mutter sich nicht selbst umgebracht hätte?«
    Jetzt blickte Azoglu den Wachtmeister an, und Stefan Heinzmann schaute in die blanke Fratze des Bösen. Azoglu sagte: »Sonst ich komme helfen.« Er führte den ausgestreckten Zeigefinger langsam unter seinem Kinn durch, zog dabei die Luft zischend ein: »Krrrrwizz!« Ein dämonisches Lachen brach sich Bahn. Dann war die teuflische Fratze wieder aus seinem Gesicht verschwunden.
    Baumer hatte das Geräusch gehört, das Azoglu gemacht hatte, und ein Frösteln lief ihm den Rücken hinab. Seine Schulterblätter zuckten zusammen, und er musste sich schütteln. Der Eiszapfen blieb trotzdem in der Wirbelsäule hängen. Schnell fragte er: »Was ist geschehen heute Morgen? Wie hast du es gemacht?«
    Der Mörder hatte sich wieder beruhigt. Er saß nun da, wie man in der Straßenbahn dasitzt. Ein wenig unbequem, ein bisschen gelangweilt. Man sitzt einfach da.
    Erin Azoglu erzählte, wie der Mord geschehen war. Er habe Emine, wie immer nach ihren Besuchen bei ihm noch bis zur Hochstraße begleitet. Dort sei um sieben Uhr morgens immer viel Verkehr. Aber kurz danach säßen die allermeisten Leute bereits in ihren Zügen.
    Und die letzten, die noch unterwegs sind, wusste Baumer, beeilen sich, ihren Anschluss noch zu erreichen. Keiner von denen schaut wirklich, was der andere macht. Mitmenschen werden nur noch als Pfosten wahrgenommen, die einem nur im Wege stehen.
    Azoglu erzählte weiter, wie er Emine von hinten umarmt hatte, als grad keiner auf der Straße war. Dann sagte er, und Stolz war aus seiner Aussage herauszuhören, dass er Mina absichtlich von hinten umarmt hatte, damit ihn die Blutspritzer nicht trafen.
    Die beiden Polizisten versuchten, sich zu beherrschen. Es gelang kaum. Baumer atmete schwer, und der altgediente Wachtmeister verkrampfte eine Faust.
    Azoglu sagte: »Schau, wie ich gemacht. Schau!« Er stupfte Baumer an, damit der auch sicher schaute. Dann ballte er seine rechte Hand zur Faust, hielt sie hoch über den Kopf. »So!« Sein Arm schnellte herunter. Er führte den Arm mit der Faust wieder hoch. Sie hing in der Luft. Ein zweites Mal fuhr sie explosiv hinunter. »So!«
    Baumer konnte es nicht ertragen. Instinktiv hatte er eine Hand vor seine Augen geführt und weggeschaut.
    Erneut holte der Türke aus. »Und so!« Er stach ein letztes Mal zu.
    Baumer vergaß zu atmen.
    Der Türke beugte sich zu ihm, stieß ihn lächelnd an, zwang ihn zu Augenkontakt. »Dreimal«, verkündete er voller Stolz. »So sicher tot.«
    Der Kommissar atmete schwer. Es machte ihm Mühe weiterzusprechen. »Handschuhe?«, fragte er.
    »Ja«, bestätigte Azoglu mit diesem archaischen Stolz in den Augen. Er habe Handschuhe getragen beim Mord an Emine. Das tote Mädchen habe er aufgefangen und es an das kleine Mäuerchen am Gehsteigrand gelehnt.
    Kommissar Baumer musste sich schwer beherrschen, während Azoglu die teuflische Ausführung des Mordes an Mina schilderte. Es kostete ihn größte Überwindung, das Gespräch in Ruhe weiterzuführen. Aber es musste sein. Also bestätigte er Azoglu, er habe alles gut bedacht. Die eiligen Passanten hatten das Kind sicher gesehen, aber doch nur gedacht, dass sich hier eine Schülerin in den Schatten gesetzt habe. Wartet wohl auf ein »Gspänli«, um dann gemeinsam zur Schule zu gehen. Er habe also alle Zeit der Welt gehabt, in Ruhe davonzuspazieren, die Handschuhe verschwinden zu lassen, sich zu waschen.
    Ja, tatsächlich, bestätigte der Türke und sein Stolz ergriff auch seine Mundwinkel. Die blutbesudelten Handschuhe habe er noch auf der Peter-Merian-Straße, die über die Gleise des Bahnhofs hinwegführt, über den hohen Gitterzaun geworfen. Sie seien auf dem Dach eines Zuges gelandet. Ha, die könnten jetzt irgendwo in der Schweiz angekommen sein. Danach sei er nach Hause gegangen, habe die Kleider sofort in die Waschmaschine gesteckt, sich geduscht und frische angezogen. Er sei sich absolut sicher gewesen, dass ihn niemand, aber auch gar niemand beobachtet habe bei dem Mord. Schon gar nicht diese große blonde Schlampe, die ihn identifiziert haben wollte.
    »He«, entfuhr es Baumer. Seine bezaubernde, selbstbewusste Anna als Schlampe zu bezeichnen! Dieser Mann ist wirklich krank, dachte er, hatte sich aber sofort wieder im Griff.
    Der Türke fuhr mit seinem Geständnis fort. »Ich habe Mord gemacht, alles perfekt. Habe Mina auch berührt in Spital. So ihr Blut an meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher