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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt
Autoren: Roger Aeschbacher
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Naturwissenschaftler packte aus. »Keine Übereinstimmung der Profile, die Sie als Vater ausweisen würde, Azoglu. Aber dennoch gibt es deutliche Übereinstimmungen zwischen Ihrem Erbgut und dem Kind.«
    Der Türke schürzte die Lippen. »Was … was bedeuten das?«
    »Das Kind hatte viele Gene aus Ihrer Familie, Herr Azoglu«, nagelte Regazzoni den Türken fest.
    Jetzt sprang Azoglu auf seine Füße, führte mit irrem Gesichtsausdruck die Fäuste vor seine Brust. Er ahnte wohl bereits, was kommen würde, wollte etwas sagen, etwas fragen. Er konnte nicht.
    Dr. Regazzoni klärte ihn ohne Mitgefühl auf. »Ich vermute, Ihr Bruder war der Vater.«
    Alle Blicke im Raum richteten sich jetzt auf den Türken, starrten ihn richtiggehend an. Der begann am ganzen Körper zu zittern, wurde feuerrot im Gesicht. Man sah deutlich, wie er sich zu erinnern versuchte, wie es gewesen sein könnte.

    Wie es gewesen sein musste.

    Damals, als er sich seinem Bruder anvertraut hatte. Wie er sich vor ihm geschämt hatte, dass der Erfolg bei der Zeugung bisher ausgeblieben war. Wie Mustafa aber sagte, es würde schon klappen, sicher bald, nur keine Angst. Wie er wieder Hoffnung geschöpft hatte. Ja, und wie sein Bruder auch mit Clara über die Situation geredet hatte, er selbst getraute sich das ja nicht. Wie er kurz danach Clara mehrfach beobachtet hatte, wie sie Mustafa wie unbeabsichtigt am Arm berührte. Er hatte sie zur Rede gestellt, diese Schweizer Frau ohne Anstand. Wie er ihr sogar geglaubt hatte, sein Bruder sei ein guter Kumpel von ihr, nichts sonst.

    Nichts sonst.

    Azoglu hielt in seiner Bewegung inne, erstarrte förmlich. Die Farbe wich ihm aus dem Gesicht. Er fiel in seinen Stuhl zurück.
    Baumer fühlte sich hingegen plötzlich wieder frei. Trübe Gedanken hatten ihn gemartert. Die Bruthitze hatte ihn beinahe in die Knie gezwungen. Eine nicht ganz saubere Aktion hatte er sogar auf dem Gewissen. Aber jetzt war alles Obskure weggeblasen, und er fühlte sich wieder klar im Kopf. Es war ihm, als hätte er einen schlimmen Fieberschub hinter sich gebracht. Die glühende Benommenheit, die ihn hatte Dinge machen lassen, die nicht rechtens waren, war gewichen.
    Mit entspanntem Gesicht redete er mit Azoglu, der das ganze Ausmaß der Tragödie begriffen hatte. »Du wolltest Mina zum Verschwinden bringen, Erin. Nicht dein Kind, nur deine Schande. Der Beweis, dass du kein richtiger Mann bist.« Andreas Baumer schämte sich beinahe für den letzten dummen Satz, aber er hatte ihn bewusst ausgesprochen um zu provozieren.
    »Schande über dich, du Versager. Du bist eine Luftpumpe«, sekundierte Heinzmann. Auch er schämte sich dafür, kaum hatte er es ausgesprochen, aber das hätte man seinem aggressiven Gesicht und dem zischend hervorgepressten Satz nicht entnehmen können. Er musste die Rolle dieses Pitbullterriers spielen. Wenn man Azoglu packen könnte, dann bei seinem unsäglichen, verqueren Ehrbegriff.
    Der Türke blickte mit weit geöffnetem Mund den Wachtmeister an, dann wechselte sein Blick zum Kommissar. Die Fäuste hielt er immer noch starr geschlossen.
    »Ach, Erin. Nun hast du doch dein eigenes Blut vergossen«, tat Baumer plötzlich mildtätig.
    Das Gesicht des Türken zerbrach in einzelnen Momenten. Ebenso lockerten sich seine Fäuste in Zeitlupe und in kleinen Schritten, als ob er eine Valiumspritze bekommen hätte.
    Ali Kahraman trat zu ihm. Niemand hielt ihn auf. Er stellte sich vor den Mörder hin. Dann schlug er ihm seine flache Hand kraftvoll ins Gesicht. Links. Rechts. Dann nochmals. Links. Rechts.
    Heinzmann war aufgesprungen und griff dem Türken in den Arm, aber Ali hatte schon aufgehört mit dem Schlagen. Jetzt begann er, seinen Landsmann zu verfluchen. Seine Verwünschungen begannen leise, sorgsam.
    Die Schweizer im Raum verstanden die Worte nicht, die der Türke sprach, aber es bedurfte keiner Sprachkenntnisse, um den Sinn der immer lauter werdenden Worte zu verstehen. »Du dreckiger Hurensohn«, hieß es wohl. »Du schwanzlose Missgeburt einer räudigen Hündin. Bringst dein eigenes Blut um. Verflucht in alle Ewigkeit seist du …«
    Wie irr hatte er die letzten, gewaltigen Worte geschrien. Er wirkte wie ein Tier im Kampf, bleckte nur noch die Zähne. Seine Kiefer- und Halsmuskeln spannten, als hätte er einen Starrkrampf.
    Azoglu hatte kaum etwas von Alis Verwünschungen mitbekommen. Die Schläge hatte er nicht gespürt. Er starrte nur leer. Immer wieder ging ihm durch den Kopf, was geschehen war. Er hatte
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