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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht
Autoren: Ruth Gogoll
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kannte.
    »Ja . . . Nein, natürlich nicht.« Geneviève besann sich, revidierte ihre Aussage und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Stumm warf sie Roland einen streng verabschiedenden Blick zu.
    Er grinste anzüglich und verließ ihr Büro.
    »Was willst du?« Genevièves Stimme war nicht einen Deut freundlicher geworden.
    »Tut mir leid.« Tina entschuldigte sich, obwohl sie gar nicht wußte, wofür. Aber Genevièves Launen ließen es oftmals angeraten sein, sie erst einmal sanft zu stimmen, auch wenn der Grund ihres Unmuts nicht in einem selbst lag. »Ich wollte eigentlich nur wissen . . . Sehen wir uns heute? Zum Mittagessen?«
    »Waren wir verabredet?« Geneviève zog die Augenbrauen zusammen.
    »Ja.« Tina unterdrückte ein Seufzen. »Waren wir.« Wie so oft hatte Geneviève es wohl vergessen. »Aber wenn du nicht kannst . . .«
    »Ich . . .«, Geneviève spitzte die Lippen, »überlege es mir noch. Möglicherweise habe ich Zeit. Aber ich kann nichts versprechen.«
    »Vivi . . .« Tinas Stimme klang sehnsüchtig. »Bitte . . . Ich würde dich so gern sehen. Kannst du nicht kommen?«
    Genevièves Mundwinkel verzogen sich zufrieden. Sie liebte es angefleht zu werden, genoß die Macht der Entscheidung. »Ich sagte ja, ich überlege es mir. Mehr kannst du nun wirklich nicht von mir verlangen.« Ihr französischer Akzent machte die verärgerte Aussage nicht milder.
    »Ich verlange nichts von dir.« Tina zog sich resigniert zurück. Es hatte keinen Sinn, Geneviève zu irgend etwas drängen zu wollen. Die Erfahrung hatte sie schon gemacht, und es war nicht immer angenehm gewesen. »Ich warte auf dich«, fuhr sie möglichst emotionslos fort, »zur üblichen Zeit am üblichen Ort.«
    »Gut.« Geneviève legte auf, ohne sich zu verabschieden.
    Tina lehnte sich vor ihrem PC im Büro zurück. Sie wußte nicht, ob Geneviève kommen würde; wann sie sie wiedersehen würde, wenn sie es nicht tat. Das entschied immer nur Geneviève. Tina konnte nur hoffen, daß es nicht jedesmal Wochen dauerte, sondern vielleicht nur Tage.
    »Sonderlieferung!« Eine Kollegin steuerte strahlend mit einem Teller voller Kuchen auf sie zu. »Extra zu meinem Geburtstag heute gebacken. Ein Nein wird nicht akzeptiert!« Sie lachte und stellte den Teller auf Tinas Schreibtisch ab.
    Tina stöhnte auf. »Wann soll ich das alles essen, Mechthild?«
    »Du bist sowieso zu dünn«, behauptete Mechthild frech. »Ein bißchen was auf den Rippen würde dir nicht schaden.« Daß Mechthild zu wenig auf den Rippen hatte, konnte wohl niemand behaupten, sie war äußerst rundlich. Aber es störte sie nicht. Sie backte einfach zu gern – und natürlich mußte der Kuchen dann auch gegessen werden.
    Tina schmunzelte. »Wenn du meinst. Aber im Moment habe ich wirklich keinen Appetit. Vielleicht heute nachmittag, zum Kaffee.« Der Appetit war ihr schon bei dem Gespräch mit Geneviève vergangen. Genevièves Art schnürte ihr oft die Kehle zu. Und trotzdem liebte sie sie, sie konnte nichts daran ändern. Was immer Geneviève ihr auch antat, sie verzehrte sich nach ihr, und jedes langersehnte Treffen war wie ein Geschenk.
    Als Geneviève und Tina sich kennengelernt hatten, hatte es nicht so ausgesehen, als würde aus ihnen je ein Paar werden. Geneviève hatte einen Mann im Schlepptau gehabt, der mehr wie ihr Schoßhündchen wirkte, aber eindeutig zu ihr gehörte. Und als sie zusammen verschwunden waren, hatte Tina nicht angenommen, daß sie nur miteinander Kaffee trinken würden.
    Tina hatte Geneviève auf der Vernissage, zu der Tina von einer flüchtigen Bekannten, die dann aber gar nicht erschien, eingeladen worden war, beobachtet, aber sie nahm nicht an, daß Geneviève sie auch nur wahrgenommen hatte. Dafür fand Tina sich viel zu unscheinbar.
    Mar war nicht die erste gewesen, die ihr versichert hatte, sie wäre schön, aber Tina glaubte es nicht. Oftmals dachte sie sogar, daß die Leute sie nur auf den Arm nehmen wollten. Deshalb reagierte sie meistens ablehnend auf dieses Kompliment.
    Der Abend in der Kunstgalerie war so verlaufen wie immer: Sie war allein gekommen und sie war allein gegangen. In Gegensatz zu Geneviève, die nie allein zu sein schien. Nicht nur ihr Begleiter hing an ihr wie festgeklebt, auch viele andere Gäste der Ausstellungseröffnung begrüßten sie, schienen sie zu kennen und waren offenbar von ihrer Gegenwart angetan.
    Geneviève strahlte Selbstbewußtsein aus, die Aura des Erfolges umgab sie und ja . . . auch
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