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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3
Autoren: Jack London
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kennst und nicht verstehen kannst. Du weißt nicht, was es heißt, sich nach fernen Fleischtöpfen zu sehnen, du kannst nicht verstehen, was es heißt, Verlangen nach dem Antlitz einer schönen Frau zu tragen. Und die Frau ist schön, Thom, die Frau ist sehr schön. Du warst diesem Manne eine Frau, und du warst ihm alles, was du konntest, aber dein ›Alles‹ ist sehr wenig und sehr einfach. Zu wenig und zu einfach, und er ist ein Mann von einer fremden Rasse. Ihn hast du nie gekannt und wirst ihn nie kennen. Es ist so bestimmt. Du hieltest ihn in deinen Armen, aber du hieltest nie sein Herz, das Herz dieses Mannes, dem die Jahreszeiten wechselnde Farben sind und dessen Träume barbarisch enden. Traum und Traumdunst, das ist er dir gewesen. Du griffst nach einer Gestalt und faßtest einen Schatten, schenktest dich einem Manne und warst die Bettgenossin eines Gespenstes. So ging es in alten Zeiten den Töchtern der Menschen, wenn die Götter sie schön fanden. Und doch, Thom, Thom, ich möchte nicht John Fairfax sein in den schlaflosen Nächten der kommenden Jahre, in den Nächten, da seine Augen nicht den Sonnenglanz von dem Haare der Frau an seiner Seite, sondern die dunklen Flechten einer Gefährtin sehen werden, die er in den Wäldern des Nordens verlassen hat.«
    Obwohl sie ihn nicht verstand, hatte sie mit gespannter Aufmerksamkeit gelauscht, als hinge ihr Leben von seinen Worten ab. Aber sie erfaßte den Namen ihres Gatten und rief auf eskimoisch: »Jaja, Fairfax! Mein Mann!«
    »Armes Närrchen, wie könnte er dein Mann sein?«
    Aber sie verstand seine englische Sprache nicht und glaubte, daß er sich über sie lustig mache. Der triebhafte, unvernünftige Zorn des Weibchens flammte auf ihrem Gesicht, und es schien dem Manne fast, als kröche sie wie ein Panther zum Sprunge zusammen. Er fluchte leise bei sich und sah, wie die Flamme von ihrem Antlitz wich und die weiche strahlende Glut des flehenden Weibes sich entzündete – des flehenden Weibes, das auf Stärke verzichtet und sich wohlweislich mit seiner Schwäche waffnet.
    »Er ist mein Mann«, sagte sie sanft. »Ich habe nie einen andern gekannt. Es kann nicht sein, daß ich je einen andern kennen werde. Es kann auch nicht sein, daß er von mir geht.«
    »Wer hat gesagt, daß er von dir gehen soll?« fragte er scharf, halb im Zorn, halb in Ohnmacht.
    »Du mußt sagen, daß er nicht von mir gehen soll«, antwortete sie sanft und mit Tränen in der Stimme.
    Van Brunt stieß zornig mit dem Fuß ins Feuer und setzte sich nieder.
    »Du mußt es ihm sagen. Er ist mein Mann. Vor allen Frauen ist er mein Mann. Du bist groß, du bist stark, und sieh, ich bin schwach. Sieh, ich liege zu deinen Füßen. Du hast es in der Hand, mit mir zu tun, was du willst. Es ist deine Sache.«
    »Steh auf!« Er riß sie heftig hoch und stand selbst auf. »Du bist ein Weib, und deshalb darfst du nicht zu Füßen eines Mannes liegen.«
    »Er ist mein Mann.«
    »Dann verzeihe Christus allen Männern!« rief van Brunt leidenschaftlich.
    »Er ist mein Mann!« wiederholte sie eintönig und flehend.
    »Er ist mein Bruder«, antwortete er.
    »Mein Vater ist der Häuptling Tant latch. Er herrscht über fünf Dörfer. Ich will dafür sorgen, daß die fünf Dörfer durchsucht werden nach einem Mädchen, das dir gefällt, so daß du in Wohlbehagen hier bei deinem Bruder leben kannst.«
    »Nach einem Schlaf gehe ich fort.«
    »Dort kommt mein Mann, sieh!«
    Aus dem Dunkel der Fichten erklang Fairfax’ Stimme in munterm Trällern.
    Wie der Tag durch ein Nebelmeer verdrängt wird, so vertrieb sein Gesang das Licht von ihrem Antlitz.
    »Es ist die Sprache seines eigenen Volkes«, sagte sie, »die Sprache seines eigenen Volkes.«
    Sie wandte sich mit den leichten Bewegungen eines geschmeidigen jungen Tieres und verschwand im Walde.
    »Alles in Ordnung!« rief Fairfax im Näherkommen. »Seine Majestät werden Sie nach dem Frühstück empfangen.«
    »Haben Sie es ihm gesagt?« fragte van Brunt.
    »Nein. Ich will es ihm auch nicht sagen, ehe wir marschfertig sind.«
    Van Brunt warf verstimmt einen Blick auf die schlafenden Gestalten seiner Leute.
    »Ich werde froh sein, wenn wir hundert Meilen von hier weg sind«, sagte er.
    Thom hob den Fellvorhang von der Hütte ihres Vaters. Zwei Männer saßen drinnen bei ihm, und alle drei blickten sie mit lebhaftem Interesse an. Aber ihr Gesicht verriet nichts, als sie eintrat und sich schweigend niederließ. Tant latch trommelte mit den Knöcheln auf einem
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