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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3
Autoren: Jack London
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leichtem Schritt zu ihnen trat und neben Fairfax stehenblieb. Sie blickte ihm rasch ins Gesicht und warf einen verwirrten Blick auf van Brunt.
    »Die Tochter des Häuptlings Tant latch, eine Art Prinzessin«, erklärte Fairfax mit ehrlichem Erröten. »Um es gleich zu gestehen, eines von den Lockmitteln, die mich hierbleiben ließen. Thom, das ist mein Freund, van Brunt.«
    Van Brunt streckte die Hand aus, aber die Frau verharrte in ihrer starren Ruhe, die über ihrer ganzen Erscheinung lag. Weder wurde eine Linie in ihrem Antlitz sanfter, noch entspannten sich ihre Züge. Ihr Blick begegnete dem seinen durchdringend, fragend, suchend.
    »Köstlich, sie versteht es!« lachte Fairfax. »Ihre erste Vorstellung, wissen Sie. Aber wie sagten Sie, die spanische Flotte wurde bei Santiago vernichtet?«
    Thom kauerte neben ihrem Gatten nieder, reglos wie eine Bronzestatue, nur ihre Blicke wanderten unaufhörlich spähend von Angesicht zu Angesicht. Und während Avery van Brunt immer weiter sprach, spürte er unter dem stummen Blick eine gewisse Nervosität. Mitten in malerischen Schlachtenschilderungen fühlte er plötzlich das schwarze Auge auf sich brennen, und dann stotterte und stammelte er, bis er seine Haltung wiedergewann und wieder in Gang kam.
    Die Hände um die Knie geschlungen, mit erloschener Pfeife und in tiefem Sinnen trieb Fairfax ihn an, wenn er zögerte, und malte sich die Welt wieder, die er vergessen zu haben glaubte.
    Eine oder zwei Stunden vergingen, dann erhob Fairfax sich zaudernd. »Und Cronje wurde in die Enge getrieben, wie? Na ja! Warten Sie einen Augenblick, ich gehe nur schnell zu Tant latch hinüber. Er wird Sie erwarten, und ich werde es so einrichten, daß Sie ihn nach dem Frühstück begrüßen können. Das ist Ihnen doch recht, nicht wahr?«
    Er verschwand zwischen den Kiefern, und van Brunt fand sich, wie er in das warme Auge Thoms starrte. Fünf Jahre, überlegte er, und sie kann jetzt nicht älter als zwanzig sein. Ihre Nase war nicht flach und gleichsam breitgedrückt wie die der Eskimofrauen, sondern adlerhaft mit zarten Flügeln und so fein gebildet wie die einer Dame weißer Rasse. – Also irgendwie Indianerblut, verlaß dich drauf, Avery van Brunt. Und sei nicht nervös, Avery van Brunt, sie wird dich nicht auffressen; sie ist nur eine Frau, und noch dazu keine häßliche. Eher orientalisch als arktisch. Große und weit offene Augen mit einer ganz schwachen Andeutung von Mongolentum. Thom, du bist eine Anomalie. Du gehörst nicht zu den Eskimos, selbst wenn dein Vater einer ist. Wo kam deine Mutter her? Oder deine Großmutter? Und Thom, liebes Kind, du bist eine Schönheit, eine eisige, frostige kleine Schönheit mit Alaska-Lava im Blut, und bitte, schau mich nicht so an. – Er lachte und stand auf. Ihr unausgesetztes Starren verwirrte ihn. Ein Hund schnupperte an den Nahrungsmittelsäcken. Er wollte ihn vertreiben und den Proviant in Sicherheit bringen, bis Fairfax wiederkam. Aber Thom hinderte ihn mit einer Handbewegung daran und stand, ihn musternd, auf.
    »Du?« sagte sie in einem arktischen Dialekt, der fast ohne Abweichungen von Grönland bis Point Barrow gesprochen wird. »Du?«
    Und der Ausdruck, der schnell auf ihr Gesicht trat, verriet alles, was sie mit diesem »Du« meinte: die Frage, warum er hier sei, was er wolle, was er mit ihrem Manne zu schaffen habe – alles.
    »Brüder«, antwortete er im selben Dialekt, indem er mit der Hand nach Süden wies. »Brüder sind wir, dein Mann und ich.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht gut, daß du hier bist.«
    »Nach einem Schlaf gehe ich.«
    »Und mein Mann?« fragte sie mit zitterndem Eifer.
    Van Brunt zuckte die Achseln. Ihn überkam ein gewisses heimliches Schamgefühl, eine Art unpersönlicher Scham, und ein Zorn auf Fairfax. Und als er die junge Wilde ansah, spürte er das heiße Blut, das ihm ins Gesicht stieg. Sie war eben Weib. Das sagte alles – Weib. Wieder einmal die alte niederträchtige Geschichte, immer wieder, so alt wie Eva und so jung wie der letzte Liebeskuß.
    »Mein Mann! Mein Mann! Mein Mann!« wiederholte sie heftig, indem sie ihm mit leidenschaftlich gerötetem Gesicht und der unbarmherzigen Milde des ewigen Weibes in die Augen blickte.
    »Thom«, sagte er ernst auf englisch, »du bist in den Wäldern des Nordlandes geboren, du hast Fisch und Fleisch gegessen, mit Kälte und Hunger gekämpft und alle deine Tage einfach gelebt. Und es gibt viele Dinge, die wahrlich nicht einfach sind, die du nicht
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