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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Autoren: Ales Pickar
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Betroffenen annimmt. Der Trick bei uns ist, dass wir keine höheren Wesen sind und es dennoch können«, fügte er mit einem sarkastischen Lächeln hinzu. »Auf jeden Fall sind wir diskreter. In den alten Tagen zogen viele solcher Körperbegehungen durch höhere Wesen all jene kurzweiligen Freizeitbeschäftigungen des Priesterstands nach sich, wie Exorzismus und Inquisition. Aber auch die Hindus berichten von Walk-Ins , bei denen Götter Besitz von Körpern nahmen. Und stets sind es Sterbende oder gerade Verstorbene, die als Brücke zwischen Jenseits und Diesseits dienen, zwischen dem Hier und dem Dort. Intakte Körper.«
    »Wie viele Atemzüge kann man sich da erkaufen?«
    »Nicht viele. Ich sagte doch, Apythia ist ein zynisches Miststück. Es sind manchmal nur Sekunden. Wir sprechen von Autounfällen, Schiffsunglücken, Morden. Das volle Programm. Das Gesetz dieses Universums lautet: Information ist alles. Information im Wasser, in der Luft, in unserem Immunsystem, in einem DMT-Molekül«, referierte er und schnipste energisch mit den Fingern, als würde er gerade in einem Werbespot spielen. »Der vorherige Wirt des Körpers hat zumeist keine Ahnung, dass er in wenigen Sekunden stirbt. Du schon. Du hast die eine Information, die er nicht hat. Wende das Unglück ab und der Avatar gehört dir.«
    »Und wenn ich es nicht schaffe, den Tod abzuwenden?«
    »Dann stirbst du nur Sekunden später wirklich. Keine Aschewerdung, kein Artificium. Einfach nur der Tod. Niemand wird jemals erfahren, dass die letzten Sekunden im Leben des Unfall- oder Gewaltopfers ein anderer seine leibliche Hülle bewohnte. Also wenn es so weit ist, und du die Augen öffnest und die vertraute Welt des Diesseits um dich siehst, fange nicht an zu jauchzen und zu frohlocken, denn es bedeutet nur, dass der Tod ganz nahe ist. Nichts verlangt mehr Aufmerksamkeit, als die Wiederankunft.«
    Ich nickte vor mich hin. Es schien, als ob der Tritt ins Leben nicht leichter werden sollte, als der Tritt aus dem Leben hinaus.
    »Was geschieht mit den Menschen, deren Körper wir besetzen?«
    »Wir wissen es nicht genau. Die naheliegende Annahme ist, dass sie in den natürlichen Kreislauf der Seelen gelangen. Sie werden zu jenen Sternschnuppen, die hier unentwegt über den Himmel driften, zur Spitze des Turms. Wir stehlen ihnen Sekunden oder Minuten ihres Lebens. Wir stehlen ihre Körper. Doch wir ersparen ihnen zumeist das minutenlange Sterben in einem zerfetzten Auto am Rande der Autobahn. Wir ersparen ihnen, in den Lauf einer Schusswaffe zu blicken, mit der ein Mörder ihnen ins Gesicht zielt. Wir können ihnen den Tod nicht ersparen, doch das Sterben durchaus. Und glaube mir, die meisten Menschen fürchten den Tod nicht. Sie fürchten nur das Sterben.«
    Bei ihm klang das in der Tat wie eine noble Freizeitbeschäftigung von Philanthropen.
    »Mi cuerpo enfermo no resiste más«, klagte Gardel unterdessen von der kleinen Bühne, während seine Finger über den Saiten der Gitarre tanzten..
    »Ihr seid also sterblich«, wandte ich ein.
    »Natürlich. Jede Ähnlichkeit mit Göttern ist rein zufällig«, erklärte Adam Kadmon und lächelte mich spöttisch an. »Wir sind von Müttern geboren. Richte im Diesseits eine Pistole auf mich, drücke ab, und ich werde verenden, wie jedes andere Tier. Ich werde als ein ahnungsloses Kind wiedergeboren werden und die Linie der Lux Aeterna wird unterbrochen sein.«
    »Wer sind dann die Inferni?«
    Adam Kadmon sah mich einen Moment lang schweigend an. Seine Augen schienen mich zu durchbohren.
    »Die Inferni sind so etwas wie unsere Auftraggeber.«
    »Engel sind es offensichtlich nicht...«, wandte ich ein, gewahr der Tatsache, dass seit unserer Ankunft Akhanta und Adam Kadmon alles nur erdenkliche getan hatten, um von den Engeln unentdeckt zu bleiben. Ich hatte schon zuvor begonnen zu ahnen, dass meine einzigen beiden Freunde, die ich in dieser Existenz noch besaß: eine barbusige Projektion und der Anführer einer geheimen Gruppe, beide im Dienste der »bösen Jungs« waren.
    »Einer von ihnen ist durchaus ein Engel. Er ist ihr Anführer. Die anderen sind...« Er suchte nach dem richtigen Wort während er seinen Blick über die mysteriöse Roger-Dean-Landschaft um uns streifen ließ. »...ich glaube die häufigste Bezeichnung lautet: Dämonen.«
    Er hob sein Weinglas. Sein Mundwinkel zuckte belustigt. Carlos Gardel hatte sein Lied beendet, und während die Menschen an den Tischen ihm applaudierten, begann Adam Kadmon, der mich
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