Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:
Traum gehabt habe, und auch jetzt nicht, wenn sie ihn sogar im Wachzustand näherkriechen spürte...
    Was wollte er nur von ihr?
    Sie wusste nichts über die schreckliche Gestalt ihrer Alpträume, weder, wer sie war, noch, woher sie kam.
    Sie wusste nur, dass sie immer abwartend in der Nähe blieb und irgend etwas von ihr wollte.
    So nah wie in dieser Nacht war er ihr noch nie gekommen. Kelly wälzte sich unruhig im Bett.
    Es war eine drückende Nacht, für Anfang Juli extrem heiß und schwül. Kelly meinte fast zu ersticken. Die Hoffnung, dass bei geöffnetem Fenster ein wie immer schwacher Luftzug die Haut kühlen und den Wahnsinn vertreiben könnte, von dem sie sich bedroht fühlte, hatte sich nicht erfüllt.
    Kein Zweifel: Es musste Wahnsinn sein.
    Es gab gar keinen grauenhaften Mann, der nach ihr griff.
    Das alles war bloße Einbildung.
    Das war früher schon die Meinung ihrer Mutter und dann die Auffassung der Ärzte gewesen, die sie behandelt hatten.
    Der Mann, der sie verfolgte, existierte nur in ihrem Bewusstsein.
    Sie hatte ihn vor langer, langer Zeit irgendwann einmal erfunden und hätte ihn längst wieder vergessen haben müssen.
    Mit einem Arzt hatte sie sich wöchentlich eine ganze Stunde lang unterhalten und auf sein Drängen hin zu begreifen versucht, warum sie den Mann erfunden hatte. Der Arzt hatte den Standpunkt vertreten, die ganze Geschichte habe mit ihrer Adoption zu tun - anstelle des richtigen Vaters, den sie nie kennengelernt hatte, habe sie sich eine Vaterfigur ausgedacht. Kelly hatte dem Arzt allerdings nicht geglaubt; denn wenn sie sich einen Vater ausgedacht hätte, so bestimmt nicht das entsetzliche Bild ihrer Träume. Und warum hatte sie sich dann nicht auch eine Mutter erdacht? Und im übrigen hatte sie den Mann schon gesehen, bevor sie wusste, dass sie ein Adoptivkind war.
    Als der Alptraum nicht aufhören wollte und Kelly ahnte, dass er nie verschwinden würde, hatte sie nicht mehr über die Ursache nachgedacht, sondern dem Psychiater einfach erzählt, er sei verschwunden. Damit hörten wenigstens die Sitzungen auf. Fünf Jahre hatte sie ihn gar nicht mehr erwähnt. Doch das furchterregende Bild, das sie nachts im Traum erschreckte, war deshalb keineswegs fort.
    Sie weinte nicht mehr, wenn er im Dunkel der Nacht plötzlich auftauchte; sie informierte ihre Mutter nicht mehr, wenn sie plötzlich einen Blick von ihm er haschte.
    Sie redete fast überhaupt nicht mehr, weil sie Angst hatte, sich zu versprechen und ihre Eltern, die Lehrer und jugendlichen Bekannten herausfinden könnten, dass sie verrückt war.
    Denn genau das war sie.
    Verrückt.
    Und sie war die einzige, die um dieses furchtbare Geheimnis wusste.
    Doch damit sollte es an diesem Abend vorbei sein.
    Sie beendete das ziellose Herumirren im Haus und ging in das kleine Schlafgemach, das ihr eigenes Zimmer war, seit sie sich erinnern konnte. In der Enge dieses Zimmers schien die Schwüle der Nacht noch drückender. Kelly betrachtete die wenigen Gegenstände an der vergilbten Wand.
    Ihr kam alles so ausgelaugt vor, das abgenutzte Mobiliar war nicht einmal neu gut gewesen.
    Wie sie selbst: ausgelaugt, abgenutzt und nie gut.
    Kelly hatte die Wände erst vor wenigen Monaten mit Plakaten überdeckt - seltsame, düstere Bilder der Bands, deren Schallplatten sie sammelte, ohne sie oft zu spielen.
    Noch ein Geheimnis: Ihr waren die Bands völlig egal; ihr gefiel diese Musik nicht; nicht einmal die Poster mochte sie wirklich. Aber sie verdeckten die tristen Wände, so wie ihre Kleidung - meist schwarz mit Metallknöpfen und großen hässlichen Nadeln - ihre schmerzliche innere Leere und Einsamkeit verhüllen sollte.
    Außer, dass Kelly gar nicht mehr allein war.
    Sie konnte das Baby, das in ihr wuchs, beinahe spüren.
    Woher kam das Baby nur?
    Von diesem Mann? Hätte er sich in einer Nacht im Schlaf heranschleichen und sie nehmen können?
    Hätte sie das aber nicht bemerken müssen? Wäre sie davon nicht aufgewacht? Hätte sie ihn nicht gespürt?
    Nein, hätte sie nicht.
    Sie hätte es verdrängt; sie hätte sich geweigert zu merken, was da vor sich ging; denn wenn sie sich gestattet hätte, es bewusst zu erleben, hätte sie geschrien.
    Und mit dem Schreien hätte sie die Eltern geweckt, und dann hätten die Eltern gewusst, wie verrückt sie war.
    Nein, sie musste geschwiegen, musste sich zurückgezogen haben in den Schlaf, als der Mann sie nahm. Aber sie wusste, dass er dagewesen war, wusste, was er getan hatte.
    Sie wusste es seit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher