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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht
Autoren: Anne Perry
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Bewusst wählte sie das Wort Gerechtigkeit, und nicht Rache.
    Er dachte darüber nach. In seinem Gesicht wurde deutlich, dass er all diese Möglichkeiten gegeneinander abwog. Schließlich schien er zu einer Entscheidung zu kommen.
    »Wenn Ihre Vermutung richtig ist und Daniel durch den chinesischen Krieg privates Geld verlor, wenn er, wie Breeland behauptet, tatsächlich Waffen an ihn verkaufte und Philo Trace’ Geld behielt, würde dann nicht, wenn Trace dies entdeckt hatte, er derjenige sein, der auf Rache sann – oder aus seiner Sicht Gerechtigkeit? Die Methode der Morde… war eine spezifisch amerikanische, vergessen Sie das nicht. Halten Sie es nicht für wahrscheinlicher, dass Trace in die Tooley Street fuhr, um Daniel deswegen zur Rede zu stellen. Es könnte zu einem fürchterlichen Streit gekommen sein, und Trace könnte die drei Männer umgebracht haben? Ob er allein dort war oder nicht, das werden wir vielleicht nie erfahren. Möglicherweise hatte er Helfer. Er hatte doch sicher Verbündete hier, die ihm geholfen hätten, wenn er die Waffen transportieren hätte müssen, nachdem er sie gekauft hatte. Breeland hatte doch auch Verbündete hier. Vielleicht hatte einer davon die Nachtwächter mit vorgehaltener Waffe gezwungen, sich gegenseitig zu fesseln, den letzten hätte er selbst fesseln können… so in etwa kann ich mir das vorstellen.«
    Er sah blass aus und wirkte sehr angespannt. »Trace scheint ein sanftmütiger Mensch zu sein, voller Charme, aber er ist Waffenkäufer für die Armee der Konföderation und kämpft dafür, den Lebensstil des Südens und das Recht auf Sklavenhaltung zu erhalten. Unter seiner unbeschwerten Art verbirgt sich ein zu allem entschlossener Mann, dessen Volk um des eigenen Überlebens willen einen Krieg führt.«
    Er zögerte und biss sich kurz auf die Lippe. »Aber da ist noch etwas, Mrs. Monk… die Uhr. Merrit sagte im Gerichtssaal, dass sie nicht wüsste, wo sie sie liegen gelassen hatte, aber sie log. Das wissen wir alle. Sie nahm sie in Breelands Wohnung ab, als sie sich umzog, und sie vergaß sie dort. Irgendjemand war ja in der Wohnung gewesen, bevor Ihr Mann und ich dort eintrafen. Das behauptete jedenfalls der Nachtportier.«
    Am ganzen Körper bebend, sah er sie an. »Wenn Trace derjenige war, dann könnte er die Uhr genommen und sie im Hof fallen gelassen haben, um Breeland anzuschwärzen. Was wäre natürlicher?«
    Hester spürte, wie ihr Herz einen Sprung machte und sich ein heißer Schweiß des Grauens über ihre Haut ausbreitete. Monk befand sich allein mit Trace auf dem Grund der Themse, vertraute ihm, und sein Leben hing von Trace’ Erfahrung und Ehre ab.
    Sie sprang auf die Füße, ihr Atem ging stoßweise.
    »William taucht.«
    Fast wäre sie an den Worten erstickt. »Er hat nur Trace bei sich! Sie suchen nach dem Lastkahn, der die Waffen die Themse hinunterbeförderte.« Sie fuhr herum und taumelte auf die Tür zu. »Ich muss zu ihm! Ich muss ihn warnen… ich muss… ihm helfen!«
    Casbolt war augenblicklich bei ihr. »Ich werde gehen«, sagte er.
    »Ich werde so schnell wie möglich zu ihnen fahren. Sie bleiben hier in Sicherheit. Sie können nichts tun, selbst wenn Sie dort wären. Ich werde die Flusspolizei alarmieren.«
    Schon war er an ihr vorbei, berührte leicht ihren Arm, als ob er sie hier festhalten wollte.
    »Bleiben Sie hier«, wiederholte er. »Hier sind Sie sicher! Ich hole die Polizei und werde Trace stellen. Monk wird nichts passieren.« Und bevor sie noch etwas einwenden konnte, war er zur Tür hinaus, schloss sie hinter sich, und Hester hörte nur noch seine verhallenden Schritte.
    Sie ging in die Mitte des Raumes zurück. Er war wirklich zauberhaft! Am Ende des blassen Kaminsimses aus Marmor hing ein Miniaturportrait. Zunächst hatte sie nicht erkannt, wen es darstellte. Doch nun sah sie, dass es Judith als junge Frau zeigte, als sie etwa zwanzig Jahre alt gewesen sein mochte. In dem Alter musste sie Daniel Alberton zum ersten Mal begegnet sein. Sie entdeckte ein weiteres Bild, eher eine Skizze, das drei junge Menschen darstellte, die über Felsen kletterten. Judith war dicht neben Casbolt abgebildet, lachend, und Alberton, der ein Stück von ihnen entfernt stand, sah zu ihnen hinüber. Es war offensichtlich, dass Judith und Casbolt das Paar waren und Alberton der Eindringling war.
    Auch Trace, der sich so sehr in Judith verliebt hatte, war ein Eindringling. Hatte etwa seine Liebe zu Judith etwas damit zu tun, warum er Alberton
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