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Implantiert

Implantiert

Titel: Implantiert
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nie so ein Wesen geben. Es sei denn, jemand erschuf es.
    Jian begann zu schluchzen.
    Die Hände nähten weiter.
     
    Das Video-Telefon stieß sein schrilles, unmöglich zu ignorierendes Klingeln aus. P. J. Colding erwachte mit einem Ruck. Blinzelnd musterte er die roten Ziffern der Uhr, die in die Basis des Video-Telefons eingearbeitet war – 6:14 Uhr morgens. Die Tageszeit war schon schlimm genug, doch die Uhr zeigte auch das Datum an.
    7. November.
    Fuck. Er hatte gehofft, den größten Teil dieses Tages verschlafen zu können. Langsam streckte er die Hand aus und drückte den Knopf, der die Verbindung herstellte.
    Gunther Jones’ müdes melancholisches Gesicht erschien auf dem kleinen Flachbildschirm. Wegen seiner großen Lippen und der schläfrigen Augen sah es immer so aus, als sei Jones high.
    »Bei ihr ist es wieder so weit«, sagte Gunther. Seine Stimme klang nicht viel wacher als die Coldings. »Zweiundfünfzig Jahre – und sie hat Alpträume wie ein kleines Kind.«
    »Dafür kann sie nichts, Gun. Du solltest sie deswegen nicht bedrängen. Gib mir eine Aufnahme von ihrem Zimmer. Vielleicht ist es diesmal nicht so schlimm.«
    Gunther sah nach unten. Seine Hände suchten etwas, das auf dem Bildschirm nicht zu sehen war. Üblicherweise übernahm er die Wache während der Nachtschicht. Er hatte sich im Überwachungsraum häuslich niedergelassen und kümmerte sich um zwei Dutzend Kameras. Die Kameras zeigten
das Ödland, das Genadas Station auf Baffin Island umgab, den übergroßen Hangar, in dem sich die Kühe und die Fahrzeuge befanden, sowie die Flure des Hauptgebäudes und die Labore. Auch in den acht Apartments der Mitarbeiter befanden sich Kameras, doch auf Coldings Anweisung hin waren sie deaktiviert worden. Jians Apartment war die Ausnahme; ihre Kameras waren immer eingeschaltet. Gunther verbrachte den größten Teil seiner Schicht damit, verrückte Vampir-Romanzen zu schreiben, doch Jian behielt er immer im Auge. Das war die Hauptverantwortung während seiner Schichten. Er musste dafür sorgen, dass Jian nicht versuchte, sich umzubringen.
    Die Aufnahme auf dem Display des Video-Telefons wechselte von Gunthers Gesicht zu einem von oben aufgenommenen Schwarz-Weiß-Bild. Zu sehen war eine übergewichtige Frau, die sich in ihrem Bett hin und her warf und deren dichtes schwarzes Haar den größten Teil ihres Gesichts bedeckte. Colding konnte sehen, wie sich ihre Lippen bewegten, und er sah den Ausdruck der Angst auf ihrem Gesicht.
    Er würde sich nicht noch einmal hinlegen können. »Okay, Gun. Ich kümmere mich um sie.«
    Er drückte auf den Knopf, um die Verbindung zu beenden, der Bildschirm wurde schwarz. Colding schob sich aus dem Bett. Seine nackten Füße landeten auf dem kalten Boden. Egal wie hoch sie auch die Heizung aufdrehten, der Boden blieb immer eiskalt. Colding schlüpfte in seine uralten Flip-Flops, warf einen Bademantel über und schob sich einen Ohrhörer ins Ohr.
    »Gunther, hörst du mich?«
    »Alles klar, Boss.«
    »Okay. Ich bin unterwegs. Melde dich, falls sie aufwacht, bevor ich bei ihr bin.«

    Colding ließ seine Beretta in der Schublade des Nachttischchens. Eine Waffe war nicht nötig. Er machte sich auf den Weg zu Jians Apartment.
     
    Unter ihren blutenden Fingern war der schwarz-weiße Panda schwarz und rot geworden. Der Rumpf eines Pandas, das Bein eines Tigers, das Bein eines Strickäffchens, das Bein eines Löwen, der Arm einer Plastikpuppe und der schwarze Kopf mit einem Maul voller spitzer Zähne. Sie hielt diese seltsame Schöpfung in ihren besessenen Händen – ein unförmiger, entstellter Dr. Seuss Frankenstein.
    »Nicht schon wieder«, flüsterte Jian mit ihrer Kleinmädchenstimme. »Bitte, nicht schon wieder.«
    Sie bettelte inständig, doch wie bei der Wiederholung einer vertrauten Fernsehserie wusste sie, was als Nächstes kommen würde. Sie fing bereits einen Augenblick vorher zu schreien an – unmittelbar bevor sich die schwarzen Augen zuckend öffneten und ihr direkt ins Gesicht sahen. Primitiv, gefühllos, aber eindeutig hungrig.
    Etwas schüttelte sie, schüttelte sie. Das wahllos zusammengestoppelte Tier öffnete sein Maul und schien zu lächeln. Das Lächeln des Teufels. Zwei verschiedene Arme – plastikrosa mit Tigerstreifen – regten sich und griffen nach ihr.
    Gerade als die Kreatur ihr Maul öffnete, um zuzubeißen, wurde Jian noch heftiger geschüttelt.
     
    Sanft schüttelte Colding Jian noch einmal. Sie erwachte blinzelnd, noch immer standen ihr
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