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Imperator

Imperator

Titel: Imperator
Autoren: Stephen Baxter
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befürchtet hatte. Die Bischöfe haben angefangen, alle zu bestrafen, die von der offiziellen Linie abweichen. Die Verfolgten sind Verfolger geworden! Ach, ich glaube, dass die Kirche dank Konstantin ewig leben wird. Es ist nur nicht mehr meine Kirche.«
    Audax grunzte. »Wenn der Verfasser der Prophezeiung also die Absicht hatte, die Kirche zu ›retten‹, ist er gescheitert.«
    »Wirklich? Vielleicht willst du einfach nicht glauben, Audax, dass die gesamte Zukunft von deinen Entscheidungen in jenen schrecklichen Momenten abhing, als du dieses Messer in der Hand hieltest – aber so war es, weißt du. Und bedenke Folgendes.« Ein Schauer überlief ihn, und er verspürte einen ersten, schleichenden Anflug von Furcht. »Wenn die Geschichte um uns herum verändert worden ist, Audax, wenn wir jetzt in der falschen Geschichte leben – woran sollten wir das erkennen? «
    Audax hatte keine Antwort darauf.
    »Wirst du deinen Söhnen von der Prophezeiung erzählen?«

    »Nein.«
    »Das musst du aber«, sagte Thalius mit fester Stimme. »Wir sind eine erstaunliche Familie mit einer erstaunlichen Geschichte. Du würdest ihnen sonst ihre Vergangenheit rauben, ihre Identität. Hier«, sagte er aus einem spontanen Impuls heraus und gab Audax die Schriftrolle mit Claudius’ Erinnerungen. »Nimm das. Bewahre es für sie auf, bis sie älter sind. Claudius war ebenfalls eng mit der Prophezeiung verbunden, und vielleicht hilft das dem kleinen Tarcho oder dem kleinen Thalius, die Leerstellen in der Geschichte zu füllen. Wenn dein Thalius so intelligent ist, wie du sagst, weiß er am Ende vielleicht viel mehr über diese seltsame Angelegenheit, als ich … als jeder von uns jemals wusste. Ich habe die Prophezeiung nie mit eigenen Augen gesehen«, rief er sich wehmütig in Erinnerung, »nicht einmal die wenigen Zeilen, die vielleicht die großen Umwälzungen in unserem Leben beschrieben haben …«
    Audax zögerte, dann nahm er die Schriftrolle. »Also schön, Thalius. Ich werde dafür sorgen, dass sie erfahren, dass dies von dir ist.« Er hob den Blick zum bewölkten Himmel und schaute nach dem Sonnenstand. »Es wird Zeit für mich, Thalius. Meine Pflichten  – ich muss mich hier mit ein paar Leuten treffen. Wegen der kaiserlichen Erben.«
    »Ich verstehe«, sagte Thalius.
    Audax trat zurück und ging wieder auf die belebte Straße hinaus. »Hoffentlich sehen wir uns vor meiner Abreise noch einmal.«

    »Du weißt ja, wo ich bin – ich gehe heutzutage nicht mehr weit weg.«
    Aber Audax war bereits in der Menge verschwunden. Thalius, allein, mit leeren Händen, spürte erneut einen stechenden Schmerz in seinem geschundenen Bauch. Mit vorsichtigen Bewegungen wandte er sich ab und machte sich auf den Heimweg.

EPILOG
418 N. CHR.

I
    Isolde hatte nicht die geringste Lust, mit ihrem Vater nach Britannien zu reisen.
    Einer der Gründe dafür war, dass die neunzehnjährige Isolde niemanden in Rom kannte, der auch nur bis nach Gallien gereist war, das sich zum großen Teil in den Händen von foederati befand, germanischen »Verbündeten« des Reiches. Über Britannien wussten Isoldes Freundinnen und Freunde lediglich, dass Riesen dort einen mächtigen Wall quer über die schmalste Stelle der Insel errichtet hatten, um herumtollende Ungeheuer fernzuhalten.
    Unsinn, sagte Nennius, ihr Vater, wie nicht anders zu erwarten. Man merkte, wenn er wirklich zornig wurde, weil ihm dann eine helle Röte in die runden Wangen stieg und sich bis zu der kahl geschorenen Stelle auf seiner Schädeldecke ausbreitete. Britannien sei nur eine Insel, seine Einwohner seien Menschen, keine Ungeheuer – und es gebe zwar einen Wall, aber er sei von Römern und nicht von Riesen erbaut worden. Also wirklich, die britannische Revolution, bei der »armselige Rebellen« sich geweigert hätten, ihre Steuern zu bezahlen, liege noch keine zehn Jahre zurück. Britannien habe sich schon mehrmals vom Imperium gelöst
und werde zweifellos wieder mit dem Mutterstaat vereinigt, wenn es die Zeit und die Mittel erlaubten.
    »Und überhaupt«, erklärte er ihr mit einem gewissen maliziösen Frohlocken, »werden wir einen Vetter von mir besuchen, der direkt an dem berühmten Wall lebt. Wir haben einen gemeinsamen Großvater, mein Vetter Tarcho und ich, einen Sklaven, der zu einem Soldaten namens Audax wurde und eine zentrale Rolle in der Geschichte mit der Prophezeiung spielte. Und weißt du, wie es kommt, dass ich dort einen Vetter habe? Weil wir beide, du und ich, selbst
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