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Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Titel: Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schädlich
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Freund.
    »Ja«, sagte die Freundin ihm, und die Frau nahm es als Antwort.
    »Wollen Sie Ihren Mann lieben und achten und ihm die Treue halten alle Tage Ihres Lebens?«
    »Sag ja«, flüsterte der Freund.
    »Ja«, flüsterte die Freundin.
    »Würden Sie etwas lauter sprechen?«
    »Gut, wenn Sie es so wollen«, antwortete die Freundin.
    »Jetzt will sie wissen, ob wir bereit sind, die Kinder anzunehmen, die Gott uns schenken will«, übersetzte der Freund.
    »Okay«, sagte die Freundin.
    »Und als christliche Eheleute Mitverantwortung zu übernehmen in der Kirche und der Welt?«
    Die Freundin: »Wie viele Fragen kommen denn noch?«
    »Sag einfach ja, damit wir es hinter uns haben.«
    »Ja«, sagte die Freundin laut und deutlich.
    »Ja«, sagte der Freund.
    »Die Ringe bitte.«
    Ich nahm das Kästchen, gab die Ringe dem Freund, der sie der Frau reichte wie eine Bezahlung.
    »Treuer Gott, Du hast mit uns einen unauflöslichen Bund geschlossen. Wir danken Dir, dass Du uns beistehst.«
    Das dachte ich auch.
    »Segne diese Ringe und verbinde die beiden, die sie tragen, in Liebe und Treue. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.«
    Die Ringe passten nicht, aber die Freundin würde die Greencard bekommen, und darum gingen wir nach der Hochzeit pokern. Elvis fuhr uns vom Special Memory Wedding Chapel von Casino zu Casino. New chance, new luck. So viel wie in jener Nacht gewannen wir nie wieder.
    Ich bekam die Greencard später. Und als ich sie hatte, nahm ich ein Studium auf. Nein, das stimmt nicht ganz. Es gab ein Gespräch mit einem amerikanischen Freund. Wir saßen in seinem Auto, fuhren einmal wieder den Sunset Boulevard bis zum Strand. Ich wollte nichts weiter als schwimmen gehen, und er redete mir ins Gewissen:
    »Seit wieviel Jahren bist du eigentlich jetzt hier?«
    Ich: »Seit zwei Jahren.«
    »Und, was tust du?«
    Ich: »Ich versuche anzukommen.«
    »Unsinn, du bist hier, das zählt, das reicht. Jetzt mach etwas daraus.«
    Ich: »Das tue ich doch. Ich arbeite, und nicht zu wenig. Ich komme für mich selbst auf. Ich habe die Greencard.«
    »So ist es. Jetzt kannst du durchstarten. Statt dessen vergeudest du kostbare Zeit. Studiere, lerne Sprachen. Mach endlich das, was dir entspricht.«
    Ich: »In Berlin hat es schon nicht funktioniert, warum sollte es hier funktionieren?«
    »Weil hier nicht Berlin ist. Hier bist du. Und jetzt geh, und mach was aus deinem Leben.«
    Ich dachte lange darüber nach, was der Freund gesagt hatte. Ich hatte gedacht, ich hätte längst etwas aus meinem Leben gemacht. Ich hatte gedacht, ich hatte es doch in die Hand genommen und war weggegangen. Gegen den Widerstand der Eltern, auch wenn die Mutter gesagt hatte, sie lege mir keine Steine in den Weg. Recht war es ihnen trotzdem nicht. Sie fürchteten, ich würde untergehen, ich konnte ja nicht einmal die Sprache, als ich ging. Sie fürchteten, wenn ich es nicht in der Bundesrepublik geschafft hatte, wie sollte ich es in Amerika schaffen.
    Weggehen allein war eben nicht genug. Ich machte mir etwas vor, wenn ich dachte, allein das reiche, anzukommen. Ich musste weitergehen. Der Freund hatte es mir bewusstgemacht.
    Ich meldete mich am L. A. City College an und holte nach, was mir von meinem deutschen Abiturzeugnis nicht anerkannt wurde. Zwei Jahre. Nebenbei arbeitete ich weiter in einem Café. Und immer wieder Umzüge. Für Amerikaner nichts Besonderes. Sie packen ihre Koffer und gehen. Die Wohnungen sind so eingerichtet, dass man sich kaum einzurichten braucht. Die Küchen immer komplett, in allen Zimmern eingebaute Kleiderschränke, ein Anruf, und das Telefon ist freigeschaltet. Alles so viel unkomplizierter, alles so viel schnellebiger. Mir kam das entgegen. Ich war ruhelos. Auch im Westen waren wir dauernd umgezogen, ich war gut vorbereitet, wenn man so will, wenigstens auf diesen Teil des American way of life.
    Man konnte aber auch Pech haben. In einem Brief schrieb ich nach Deutschland: »Die Wohnung wurde vom Vorgänger als Dreckloch hinterlassen. Dieser war im Begriff, sein Augenlicht zu verlieren, und dementsprechend sah es hier aus. Mittlerweile ist gestrichen worden, und wenigstens die Teppiche in zwei Zimmern wurden gereinigt. Uns blieb nichts anderes übrig, als auf einer Plastikplane als Unterlage die erste Nacht hier zu verbringen.«
    Dann aber: »Wir wohnen auf einem Hügel in einem Haus mit Garten und Pool und Terrasse und Blick bis zum Meer.« Dorthin kam die Mutter mit der Schwester. Und jetzt konnte ich mehr

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