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Imagon

Imagon

Titel: Imagon
Autoren: Michael Marrak
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existieren keine Zeugenaussagen über eine Leuchtspur am Himmel. Mit einer Geschwindigkeit von 180.000 Stundenkilometern, fünfzigmal schneller als eine Granate, tauchte es in die irdische Lufthülle ein. Bereits wenige Sekunden später, so Dr. Pedersens Vermutung, krachten seine Trümmer ins Eis.«
    »Sein ungewöhnlich hohes Crash-Tempo«, übernahm Broberg das Wort von seinem Platz aus, »hing damit zusammen, dass der Meteorit in den frühen Morgenstunden herabfiel. Zu diesem Zeitpunkt raste die Erde auf ihrer Sonnenumlaufbahn dem kosmischen Boten direkt entgegen: Es kam zum Frontalzusammenstoß. Auf der Abendseite der Erde hingegen hätte er nur einen – weniger heftigen – Auffahrunfall verursacht.
    Der Sturzflug war derart rasant, dass ein Meteorit aus Stein bereits in großer Höhe auseinandergeplatzt wäre, wie damals bei der Tunguska-Explosion. Wir gingen deshalb zuerst davon aus, dass der Himmelskörper sehr viel stabiler gewesen sein muss und vermutlich überwiegend aus Eisen bestanden hat. Nach ersten Berechnungen betrug sein Durchmesser mehrere Dutzend Meter – er glich demnach einer fliegenden Abrissbirne, schwerer als ein Verkehrsflugzeug. Wenn Sie bitte mit der abschließenden Presseerklärung über den Zwischenfall KCL-1102 fortfahren möchten, Dr. Silis …«
    Ich verspürte einen leichten Hitzeschub, als Broberg die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich lenkte. »Nun«, begann ich, lehnte mich zurück und starrte auf die Tischkante, »die Aussagen über die Intensität des Blitzes ließen auf Sonnenhelligkeit in rund einhundertfünfzig Kilometern Entfernung schließen – vergleichbar mit der Explosion einer Zehn-Kilotonnen-Atombombe. Helligkeitseinschätzungen von Menschen, deren Augen an die Nacht adaptiert sind, fallen allerdings oft übertrieben aus. Man denke nur an den bei Nacht gleißenden Vollmond, der sich bei Tag sehr fahl ausnimmt.
    Aufgrund der Zeugenaussagen und der Videoaufnahme wurde als Aufschlagsgebiet eine Ellipse mit achtzig mal sechzig Kilometern Ausdehnung abgeschätzt, deren Zentrum über dem Inlandeis der mittleren Ostküste Grönlands liegt.« Ein rotes Lichtoval legte sich auf dem Bildschirm über das besagte Gebiet. »Am selben Tag, um circa 14:00 Uhr Ortszeit, zog ein Satellit über Mittelgrönland, der Bilder einer gewaltigen Wolke im Einschlagsgebiet zur Erde funkte. Die Impaktwolke von KCL-1102 schien entdeckt: einhundert Kilometer breit und mindestens sechs Kilometer hoch.« Das Satellitenbild ersetzte die Grönlandkarte. »Diese Infrarot-Aufnahme weist auf eine warme Wolke hin, was gut passte. Dann die Massenabschätzung: Aus dem Wassergehalt der Wolke, der aus ihrer Größe bestimmt werden konnte, und der Energie, die nötig war, um die entsprechende Menge an Eis zu schmelzen, errechnete man eine Impaktmasse von vier Millionen Tonnen, die mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Kilometern pro Sekunde auf die Erde traf. Die Bewegungsenergie eines solchen Objektes entspricht etwa 120.000 Fünfundzwanzig-Kilo-Atombomben. Der Tunguska-Meteorit von 1908 kam auf einen Energieumsatz von maximal einem Prozent davon. Wir mussten es also rein rechnerisch mit etwas Gewaltigem zu tun haben.
    Ein weiterer Widerspruch: Der Tunguska-Meteorit löste eine Druckwelle aus, die zweimal um die Erde lief. Am 11. Februar dieses Jahres blieb das hochempfindliche mikrobarometrische Messfeld in Los Alamos jedoch ruhig. Dann kamen die Meldungen von den seismographischen Stationen Norwegens, Finnlands und Deutschlands: Ein Beben wurde nur zehn Minuten nach dem Einschlag registriert, und sein Ursprung könnte Grönland gewesen sein – im Rahmen der Fehlertoleranz deckte es sich praktisch mit dem Einschlagsgebiet. Allerdings wiesen die geringe Amplitude und die Dauer der Aufzeichnungen darauf hin, dass der Körper in der Atmosphäre explodiert sein musste. Damit wäre nur ein kleiner Teil der Bewegungsenergie in seismische Wellen umgewandelt worden. Bemerkenswert allerdings waren die ungewöhnlich hohen Frequenzen des Signals.
    Auch war kaum eine Trennung der Frequenz- und Wellentyp-Anteile zu erkennen, wie sie bei der Ausbreitung seismischer Wellen in der Erde auftritt. Das machte die Lokalisierung des Bebens sehr schwierig. Andere Experten sahen Ähnlichkeiten mit Mond- oder Marsbeben, deren Ursache definitiv Meteoriteneinschläge waren. Auch vulkanische Aktivität wurde als Auslöser nicht ausgeschlossen.
    Nach alter Tradition wurde der Meteorit nach dem nächstgelegenen Ort mit Postamt
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