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Imagon

Imagon

Titel: Imagon
Autoren: Michael Marrak
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Sie denn in den letzten Tagen, Mann? Auf dem Mond? Baut Lego denn inzwischen Raketen?« Ich schluckte die Spitze und atmete tief durch. »Sie wissen wirklich von überhaupt nichts?« Chapmann schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Mr. Silis war einige Zeit außer Landes«, erklang es von der Tür her.
    Lautlos hatte Broberg den Raum betreten. Er besaß eine leicht untersetzte Figur, und das Markanteste an seinem runden, nahezu haarlosen Kopf waren die buschig-schwarzen Augenbrauen. Seine Hand ertastete den Dimmer, und die Deckenbeleuchtung flammte grell auf. Hinter Broberg betraten drei weitere Personen den Raum – ein Mann im Maßanzug und zwei Militärs, ein dänischer und ein amerikanischer Offizier. Chapmann und der Amerikaner nickten einander kurz zu, was mich vermuten ließ, dass sie gemeinsam angereist waren, während sich der dänische Uniformierte und der Nadelstreifen-Träger – eventuell ein Vertreter der Regierung oder der inneren Sicherheit – unhörbar miteinander unterhielten, ohne den restlichen Anwesenden Beachtung zu schenken. Der Zivilist nahm schließlich auf dem freien Sessel an der Tür Platz.
    Broberg blieb vor dem Wandmonitor stehen und legte seine spärlichen Unterlagen – eine dünne rote Aktensammelmappe und die unbeschriftete Hülle einer DVD – vor sich auf den Tisch. »Liebe Kolleginnen und Kollegen«, ergriff er auf Englisch das Wort. »Ich freue mich, Sie in Kopenhagen begrüßen zu dürfen. Leider musste Dr. Jorgensen krankheitsbedingt absagen. General Mertens wird an seiner Stelle referieren und dabei hoffentlich auch die letzten Verdachtsmomente ausräumen.«
    Ich beugte mich zu Chapmann hin. »Was für Verdachtsmomente?«
    »Warten Sie’s ab«, raunte der.
    »Bitte, meine Herren!« Broberg sah uns tadelnd an.
    Ertappt lehnte ich mich zurück und betrachtete die Auszeichnungen auf Mertens’ Uniform.
    »Da ich annehmen darf, dass nicht alle Versammelten auf demselben Informationsstand sind, möchte ich General Mertens bitten, die Ereignisse der letzten Wochen kurz zu rekapitulieren.« Broberg nahm seine Unterlagen, umrundete den Tisch, begrüßte mich stumm per Handschlag und nahm auf dem Operator-Stuhl Platz.
     
    »Ehe ich beginne«, erklärte Mertens ebenfalls auf Englisch, »möchte ich die Vertreter Russlands, Deutschlands, der Vereinigten Staaten und Kanadas herzlich willkommen heißen. Ich freue mich, unser Treffen vor einem akademischen Hintergrund zu wissen und hoffe, dass meine Präsenz und die meines amerikanischen Kollegen Oberst Richards trotz der Uniformen kein falsches Licht auf diese Zusammenkunft wirft …«
    Ich konnte bereits nicht mehr hinhören. Mertens gab sich sichtlich Mühe, den Raum mit verbalen Blumen zu schmücken, und ich fragte mich, wie er solche Satzgeflechte zustandebrachte, ohne Luft zu holen. Womöglich bediente er sich einer Aborigine-Atemtechnik. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Broberg, der die DVD (mit den Zeichen IP02 beschriftet) aus der Hülle nahm und über den Ärmel seines Sakkos zog, ehe er sie in das Laufwerk im Paneel einlegte.
    »… und man sagt nicht ohne Grund, es gebe nichts Grauenvolleres als die Fremdheit derer, die einander kennen«, beendete Mertens seinen Redeschwall mit einem Hauptmann-Zitat. Er überlegte ein paar Sekunden, als sei er sich des rechten Zeitpunktes nicht sicher, dann schritt er zum Lichtschalter und fragte: »Wenn Sie soweit sind, Professor …«
    Broberg nickte äußerlich gelassen, und eine Sekunde später lag der Raum im Dunkeln. Der Wandmonitor leuchtete auf, sein blendendes Rechteck erhellte die Szenerie. Kurz darauf wurde es durch eine topographische Karte Ostgrönlands ersetzt.
    Mertens wandte sich dem Bildschirm zu. »Am 11. Februar, kurz nach fünf Uhr Ortszeit, dürfte ein Fischer namens Tim Nikolassen den ersten Sichtkontakt zu KCL-1102 gehabt haben. Er befand sich mit seinem Kutter etwa zwanzig Seemeilen vor der ostgrönländischen Küste, als steuerbords ein gleißender Blitz aufflammte.« Ein roter Punkt markierte die besagte Stelle auf der Karte. »Der Augenzeuge blickte in die Richtung des Blitzes, der die Nacht für Sekunden taghell erleuchtete, und sah ein langsam schwächer werdendes Leuchten über der Kappe des Inlandeises. Er notierte sich die Position seines Bootes und die Richtung des Glühens. Zur gleichen Zeit erblickte ein Polizist namens Ken Johnsen ebenfalls ein, so wörtlich, ›weißes, blendend helles Licht hinter den Bergen, wie eine Atomexplosion, nur weitaus länger
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