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Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)

Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)

Titel: Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
Autoren: Patricia Alge
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- und dieses Wissen bereitete Owen zunehmend schlaflose Nächte. Im Gegensatz zu seiner jungen Herrin neigte er dazu, der bitteren Wahrheit ins Auge zu sehen. Walkmoor Castle konnte keinem ernsthaften Angriff standhalten. Nachdem Valandras Vater die Mehrheit der Lamont-Krieger auf seinen Kreuzzug mitgenommen hatte, waren sie nun zu wenige, um die Burg wirksam verteidigen zu können. Gerade einmal zweiundzwanzig Männer waren zurückgeblieben. Wobei höchstens fünfzehn von ihnen tatsächlich Kampferfahrung mitbrachten. Eine lächerlich geringe Zahl, um eine Burg dieser Größe zu halten.
    Allein Valandras kleiner List war es zu verdanken, dass McGregor heute unverrichteter Dinge wieder abgezogen war.
    Owen ließ den Blick zu den Strohpuppen gleiten, die als Bogenschützen verkleidet auf der Brustwehr standen und den Eindruck einer gewaltigen Verteidigungskraft erweckten. McGregor hatte Gift und Galle gespuckt, als er die vermeintlich neuen Streitkräfte auf Walkmoor Castle entdeckt hatte. Dennoch war Owen nicht so einfältig zu glauben, dass sie keine weiteren Angriffe dieses machtgierigen Lords zu befürchten hatten.
    Heute war ihnen lediglich ein kleiner Aufschub gewährt worden. McGregor hatte sich zurückgezogen, um noch mehr Soldaten um sich zu scharen. Bei seinem nächsten Auftauchen wäre Walkmoor unwiderruflich verloren.
    Owen schob die tristen Gedanken an die Zukunft beiseite und wandte sich wieder Valandra zu. Bei ihrem Anblick zog sich seine alte Kriegerbrust schmerzlich zusammen. Dunkle Ringe lagen unter ihren sonst so munter funkelnden, smaragdgrünen Augen. Sie hatte sich im vergangenen Jahr sehr verändert, stellte er mit großem Bedauern fest. Valandra war nicht länger seine sanftmütige Herrin, die gebrochene Rotkehlchenflügel heilte und Tränen um verendete Waldtiere vergoss. Aus dem fröhlichen, lebenslustigen Mädchen von früher war eine ernste, pflichtbewusste junge Frau geworden, die sich bis zur Erschöpfung für ihre Untertanen aufopferte. Sie kümmerte sich um alles und jeden auf Walkmoor - von der Führung des riesigen Haushalts, der Jagd, der Aufsicht über die Zinsbauern bis hin zur Verteidigung der Burg. Er selbst hatte oft versucht, ihr zumindest einige dieser Verpflichtungen abzunehmen, um sie zu entlasten, doch Valandra hielt eisern an ihren Aufgaben fest.
    „Bis mein Vater heimkehrt, ist es meine Pflicht als Burgherrin, für Recht und Ordnung zu sorgen“, hatte sie ihm unmissverständlich klar gemacht.
    Owen bezweifelte jedoch, dass dies der einzige Grund war. Vielmehr vermutete er, dass Lady Valandra sich aus purer Sehnsucht nach ihrem geliebten Vater in all dieser Arbeit vergrub. Er wusste, wie schmerzlich sie ihn vermisste. Jeden Tag stieg sie unzählige Male zur Brustwehr hinauf, um den Horizont nach einem Zeichen seiner Rückkehr abzusuchen, und jedes Mal versuchte sie vergeblich ihre Enttäuschung zu verbergen. Die Spitzfindigkeiten ihrer streitlustigen Stiefmutter und deren Tochter setzten ihr ebenfalls zu. Natürlich würde Lady Valandra sich nie über die herzlose Behandlung ihrer Stiefmutter beklagen, doch Owen wusste auch so, wie sehr sie unter deren Gehässigkeiten litt. In Gedanken schüttelte er angewidert den Kopf. Es war wirklich eine Schande.
    „Ihr solltet Euch etwas ausruhen, Kindchen. Ihr seht aus, als würdet Ihr gleich vor Müdigkeit umfallen.“
    Valandra schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Du solltest allmählich wissen, dass ich nicht so zerbrechlich bin, wie es vielleicht den Anschein hat.“
    „Ich weiß“, stimmte Owen zu und betrachtete seine junge Herrin mit leisem Stolz. Sie war eine Schönheit. Trotz der deutlichen Spuren ihrer Übermüdung war ihr Anblick einfach bezaubernd. Lady Valandra war das genaue Ebenbild ihrer viel zu früh verstorbenen Mutter - von bescheidenem Wuchs und so zartgliedrig, dass in jedem Mann sogleich der Beschützerinstinkt erwachte. Wie Lady Lamont besaß auch Valandra dichtes kastanienbraunes Haar, das ihr in weichen Wellen bis hinab zur Taille reichte. Die großen, ausdrucksstarken Augen waren von langen schwarzen Wimpern umrahmt und erinnerten an eine sattgrüne Frühlingswiese. Doch während Lady Lamont von sanftmütigem und geduldigem Gemüt gewesen war, besaß Valandra das ungestüme Temperament und die Kühnheit ihres geliebten Vaters. Owen war sich nicht sicher, ob dies ein Segen oder ein Fluch war. „Weshalb siehst du mich so bedrückt an?“
    Owen ließ den Blick in die Ferne schweifen, dorthin, wo McGregor
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