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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts
Autoren: Katarina Fischer
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in Lagos. Als ich dich mit diesem Idioten da gesehen habe, dachte ich: Das war’s dann also. Ich war nicht einmal sauer. Ich hab mich wie Dreck gefühlt, und dabei dachte ich immer, dass man, wenn man jemanden liebt, alles dafür tut, dass sich diese Person eben nicht wie Dreck fühlt.«
    »Es tut mir leid.«
    »Das glaube ich dir sogar. Und ich glaube dir auch, dass das für dich keine große Sache war. Vielleicht war es das ganz objektiv betrachtet sogar wirklich nicht. Aber wie kannst du erwarten, dass ich das einfach so abschüttle? Ich hab dich gesehen, Daphne, ich hab dieses Bild vor Augen. Du bist meine Freundin. Ich liebe dich. Du sagst, du liebst mich auch. Es macht so viel kaputt.«
    An dieser Stelle fing ich an zu weinen, obwohl ich das hatte vermeiden wollen. Man hört ja oft und viel davon, dass Frauen in solchen Situationen in Tränen ausbrechen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Ich glaube das nicht. Man muss schon ein äußerst abgebrühtes Miststück sein, um vorsätzlich zu heulen. Ich weinte, weil ich musste. Aus Reue, Verzweiflung. Weil ich mich einfach zu gut in Richard hineinversetzen konnte und weil ich mich davor fürchtete, dass er sich gegen mich entschieden hatte. »Ich will gar nicht weinen. Ignorier das einfach«, schluchzte ich, und rieb mir mit dem Zipfel meiner Strickjacke über die Wangen.
    »Wie soll ich das denn bitte ignorieren?« Richard saß angespannt auf dem Küchenstuhl auf der anderen Seite des Tischs und starrte mich an. Seine Hand zuckte. Noch so eine ungeschriebene Regel dieses Gesprächs war, dass wir uns nicht berührten, solange es lief. Das hätte verfälscht, worum es ging. Sachliche Klärung der Situation.
    Und ich heulte.
    In jeder anderen Disziplin wäre ich für einen solchen Regelverstoß disqualifiziert worden. Aber Beziehungssport war anders.
    Eine Armlänge entfernt, neben der Spüle, stand eine Rolle Küchenpapier. Ich griff danach, riss ein Blatt ab und schnäuzte mir die Nase, bevor ich tief Luft holte und weitermachte. »Ich will mich gar nicht rausreden. Was passiert ist, hätte ich unter keinen Umständen zulassen dürfen. Aber so wie ich das sehe, ist eine Beziehung ein lebender Organismus. Wenn er eh schon krank ist, ist er anfälliger für neue Krankheiten.«
    »Wie Felix.«
    »Felix ist eine verdammt miese Krankheit, ja.«
    »Und wieso hatte er es so leicht?«
    Mein Blick fiel auf die graue Wand. Wie viele Wochen lang hatte ich Richard damit in den Ohren gelegen, sich die Zeit zu nehmen, mit mir diese Wohnung zu renovieren? Und wann tat er es endlich? Vielleicht genau in dem Augenblick als ich meinen Exfreund in Lagos traf. »Das hab ich dir am Strand schon gesagt: Du hast dich nicht mehr um uns gekümmert.«
    »Weil ich einen zeitaufwendigen Job habe. Das weißt du. Ich musste arbeiten.«
    »Eine Beziehung ist auch Arbeit.« Oma Mathilde wäre stolz auf mich gewesen.
    »Ich weiß.«
    »Du kannst nicht erwarten, dass ich einfach immer da bin und darauf warte, dass du dich eines Tages an mich erinnerst.«
    »Wir haben diese Wohnung zusammen. Wir sind seit drei Jahren ein Paar …«
    »Das sind Umstände. Die muss man mit Leben füllen.«
    »… als Joe mich auf der Hochzeit gefragt hat, wann ich dir einen Antrag machen werde, und ich sagte, bald, da habe ich das so gemeint, Daphne. Ich war mir sicher.«
    »Ich mir aber nicht.« So etwas wie Schock legte sich über Richards Gesicht. »Obwohl ich dich liebe«, erklärte ich, »aber ich war mir nicht sicher. Ich habe mir angeschaut, wie es zwischen uns läuft, und habe mich gefragt, ob ich das für immer so haben will, und die Antwort war: Nein. Es lag nicht an dir, du bist ein toller Mensch, sondern daran, was wir aus dem, was wir hatten, gemacht haben.«
    Draußen sang ein Vogel. Das war das einzige Geräusch in der Küche für einige endlos lange Sekunden.
    »Ich hab in diesem Urlaub etwas gelernt. Oder nein«, verbesserte ich mich selbst, » durch diesen Urlaub. Ich hab es eigentlich erst am Schluss kapiert. Und zwar: Abgesehen davon, dass wir uns beide mehr bemühen müssen, damit das hier klappt, und abgesehen davon, dass wir es niemals als selbstverständlich betrachten dürfen, weil es nämlich nicht selbstverständlich ist, weißt du? Also, abgesehen davon ist mir klar geworden, dass ich einen blöden Fehler gemacht habe: ›Für immer‹. Ich wollte eine Garantie über ›Für immer‹. Und ich wollte, dass alles so ist und wird, wie ich mir das vorstelle. Das sind zwei komplett
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