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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren
Autoren: Federica de Cesco
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herab. Jetzt war Entsetzen in ihrem Blick zu lesen. »Du willst, dass ich deine Gemahlin werde?«
    Â»Warum denn nicht?«, fragte er gelassen.
    Wieder erschien der Ausdruck eines gehetzten Tieres auf ihrem Gesicht. »Das ist unmöglich! Mir ist versagt, einem Mann, der nicht meinem Volk angehört, als Gattin zu folgen.«
    Â»Erkläre mir den Grund«, sagte er.
    Sie zitterte so stark, dass er das Verlangen, sie in die Arme zu schließen, überwinden musste. Er fühlte, dass sie jetzt keine Berührung geduldet hätte.
    Â»Du kennst unsere Sitten nicht«, flüsterte sie erregt. »Du weißt nichts von unseren Göttern, unseren Riten. Du würdest dich durch einen Eid binden müssen und kein Mensch eines anderen Volkes hat je den Mut dazu aufgebracht …«
    Susanoo dachte an Nagasume Tomi. Er hatte zwar das Leben der Ainu geteilt, aber keine ihrer Frauen geheiratet. Warum wohl nicht?
    Er versuchte, seine Unruhe zu beherrschen, und sagte langsam und eindringlich: »Einiges ist mir schon über dein Volk bekannt, aber es ist nicht ausreichend. Würdest du bereit sein, mich zu unterweisen?«
    Sie holte tief Atem. Ihr Gesicht entspannte sich; der befangene Ausdruck verschwand aus ihren Augen. »Ich bin Priesterin der Bären«, begann sie. »Die Dinge, die ich dir jetzt mitteilen werde, sind geheim. Die Sprache der Götter ist wie feuriges Licht in den Augen der Menschen und viele können den Schmerz nicht ertragen. Aber dein Herz ist stark genug, um an einem Wissen teilzuhaben, das der Himmel unseren Ahnen übermittelte.«
    Er spürte bei ihren Worten einen kalten Schauer auf seiner Haut. Doch er presste die Lippen zusammen und schwieg. Ihr Gesicht hatte jetzt einen stolzen, fast abweisenden Ausdruck, während ihre Stimme sanft und klar tönte.
    Â»Unsere Ahnen stammen vom großen Stern des Nordens, in der Achse des Himmlischen Bären. Eines Tages sahen die Götter auf die Welt herunter und erblickten ein Mädchen, das zwischen zwei Strohhütten stand. Das Mädchen wusste nicht, dass es beobachtet wurde. Sie kämmte ihr Haar und alle Götter waren von ihrer Schönheit entzückt. Einer der Götter, Kana-Kamu, der ›Herr des Donners‹, beugte sich so weit nach vorn, dass er auf die Erde fiel. Er stürzte auf die Hütten, die beide verbrannten. Nur zwei Bäume blieben übrig, die sich in zwei Prinzessinnen verwandelten: Chiki-Sanni und Atoni. Sie wurden beide schwanger und schenkten zwei Knaben das Leben: der Erste hieß Oina-Kamui, der Zweite Ponyambe. Das Antlitz des Ersten war rot, das Antlitz des Zweiten weiß. Aus ihnen ging später das Volk der Aiu-Utari hervor.
    Es lebte eine Prinzessin in diesem Land. Ihr Name war Yoichi und sie war von überragender Schönheit. Und Ponyambe sprach: ›Ich will diese Prinzessin zur Frau gewinnen. ‹ Er stieg als Feuersäule aus den Wolken und nahm die Gestalt eines Mannes an. Als er aber in Yoichis Haus kam, waren schon sechs Männer vor ihm in ihrem Haus gewesen, und sie hatte mit allen sechs ihren Reis geteilt. Sie wollte auch Ponyambe von dem Reis geben, aber als sie den Ring sah, den er am Finger trug, wusste sie, dass er ein Gott war. Sie wurde seine Frau und gebar ihm zehn Kinder, fünf Mädchen und fünf Knaben, die Ahnen der Aiu-Utari.
    Als Ponyambe im Sterben lag, sprach er: ›Als ich menschliche Gestalt annahm, verlor ich die Kraft, in den Himmel zurückzukehren, wo meine Brüder und Schwestern, die Götter des Nordsterns, auf mich warten.‹
    Yoichi sprach: ›Gräme dich nicht, mein Gatte! Ich werde die heiligen Vögel rufen und sie werden dich im hohen Flug in den Himmel geleiten.‹
    Ponyambe schloss friedlich die Augen. Und als er gestorben war, rief Yoichi die Boten des Himmels und befahl ihnen, den Leichnam ihres Gatten zu den Göttern zu tragen. Die Vögel gehorchten. Und Yoichi sprach: ›Fürwahr, es ist ein Glück, dass mein geliebter Gatte die Seligkeit erlangt und wieder zu seinen Ahnen zurückgefunden hat! So sollen alle meine Kinder, die eine Spur des göttlichen Blutes in sich tragen, nach ihrem Tod in ihre himmlische Heimat zurückkehren.‹
    Sie rief die heiligen Vögel zu sich und sprach: ›Wo immer ein Kind der Aiu-Utari sein irdisches Dasein beendet, versammelt euch um sein Lager und tragt seinen Leichnam zu den Göttern.‹ Die Vögel versprachen es.
    Dann kam
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