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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren
Autoren: Federica de Cesco
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Händen den tödlichen Schlag zu führen. Der alte Mann machte keine Anstalten, den Stoß abzuwehren. Sein Gesicht blieb maskenhaft starr und ruhig; doch Attero hatte blitzschnell einen Pfeil an die Bogensehne gelegt. Die Pfeilspitze wies auf Itzuse, die Sehne war bis aufs Äußerste gespannt. Mit einer knappen Handbewegung hielt Iri seinen jüngeren Bruder zurück. Itzuse steckte bebend das Schwert wieder in die Scheide. Dann verneigte er sich entschuldigend und trat zurück. Auch Attero ließ schwer atmend die Bogensehne sinken. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Die Spannung löste sich und wieder hörte ich schrill und deutlich die Möwen kreischen.
    Â»Junges Blut wird leicht ungeduldig«, sagte Nagasume Tomi. Er verlor den König nicht aus den Augen, sein Blick war kühl. »Es sei Euch gestattet, die Nacht im Küstenbereich zu verbringen und Trinkwasser für die Mannschaft an Bord zu schaffen. Jedoch ersuche ich Euch höflichst, die Flussmündung vor Sonnenaufgang zu verlassen.«
    Â»Wie könnt Ihr es wagen?« Iris Stimme klang wie ein Peitschenhieb. Wieder griffen alle Hände an die Waffen. In der atemlosen Stille drehte Nagasume Tomi den Männern den Rücken zu und verneigte sich vor dem König.
    Â»Verzeiht, Majestät, mein ungeschliffenes Benehmen. Wer lange Jahre in der Wildnis lebt, verlernt seine guten Manieren.«
    Mit äußerster Willenskraft beherrschte Iri seinen Zorn. Er stand unbeweglich und erwiderte die Verbeugung nicht.
    Nagasume Tomi verharrte einige Atemzüge lang auf der Stelle, bevor er sich mir zuwandte. Unsere Blicke trafen sich; ich sah den feuchten Glanz in seinen Augen. Ich bewunderte seinen ungeheuren Mut und mein Herz hämmerte in meiner Brust.
    Â»So lebt wohl, Majestät«, sagte er leise und eindringlich. »Sprecht von mir zu der Göttin, wenn sie Euch jenseits des Lichtes begegnet.«
    Tränen erstickten mich. Ich senkte den Kopf und verneigte mich tiefer als er, tiefer als mein Rang es erforderte. Stockend kamen die Worte über meine Lippen. »Seid unbesorgt, Nagasume Tomi. Die Göttin weiß die Ihrigen zu erkennen.«
    Ich sah nicht sein Gesicht; spürte nur seine Bewegung, als er mit einer letzten Verbeugung Abschied nahm. Er wandte sich ab, verließ mit ruhigen Schritten das Deck und kletterte das Fallreep hinunter. Attero folgte ihm. Sie stiegen in das wartende Boot und Nagasume Tomi hob den Arm. Alle Ruder tauchten gleichzeitig ins glitzernde Wasser. Der dichte Bootskreis dehnte sich aus wie eine Riesenschlange, die feucht-schillernd ihre Ringe entrollt. Die Boote entfernten sich vom Schiff und trieben den Ufern entgegen.
    Die Stimmen der Möwen gellten, als Iri seine Feldherren um sich versammelte und unmissverständlich und wohlüberlegt seine Befehle erteilte.
    Â»Man lasse den ›Dora‹ schlagen. Das Geschwader soll auf die Küste zusteuern und an der Flussmündung vor Anker gehen. Vervierfacht die Wachen. Die Krieger sollen sich bereithalten. Vor Sonnenaufgang fahren wir den Fluss hinauf. Yi-Am, Ihr übernehmt das Kommando.«
    Â»Es ist mir eine Ehre, Majestät.«
    Iri machte dem Kapitän ein Zeichen. »Schickt die Mannschaft auf ihre Posten und lasst ihnen Waffen aushändigen. Jeder Rudersklave erhält eine doppelte Portion Reis. Schickt Leute an Land, um Trinkwasser herbeizuholen, aber lasst sie von Bogenschützen bewachen.«
    Noburu verneigte sich und trat zurück. Iris Kinnladen zitterten. Keuchender Atem hob und senkte seine Brust. Er ließ seinen Blick über das Schilf schweifen, wo kein einziges Boot mehr zu sehen war. Leise und zischend kam es über seine Lippen: »Ich werde seinen Kopf auf eine Lanze spießen!«
    Gegen Abend setzte die Flut ein und der Wasserspiegel hob sich. Die Galeere schwankte auf den leichten Flusswellen und die Takelage knarrte leise. Das Tönen des »Dora« war längst verstummt. Alle Schiffe hatten sich der Flussmündung genähert. So weit das Auge reichte, schaukelten Segel über dem Blau des offenen Meeres. Dem geschäftigen Hin und Her an Bord war eine abwartende, bedrückende Stille gefolgt. Die Seeleute waren bewaffnet worden. Vier Reihen Soldaten bewachten das Achterdeck, vier weitere Reihen standen auf dem Vorschiff. Die Gesichter waren undurchschaubar, aber ich spürte die Angst, die auf den Männern lastete. Wir alle an Bord wussten, dass durch Iris
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