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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren
Autoren: Federica de Cesco
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aus dem Schilf, um sich an der Flussmündung in dichten Reihen zu sammeln. Es mussten Hunderte und Aberhunderte sein. Ich hob die Hand über die Augen, um besser sehen zu können. Die Boote waren aus ausgehöhlten Baumstämmen angefertigt, deren Bug und Heck spitz aufragten. Jedes von ihnen war mit acht Ruderern besetzt.
    Ohne die Augen von dem unüberschaubaren Gewimmel zu wenden, gab Iri ein Zeichen.
    Itzuse trat vor. Er zwang sich zur Beherrschung, doch seine Augen leuchteten vor Aufregung. »Majestät?«
    Â»Gib dem Geschwader bekannt, dass es auf offener See warten soll.«
    Â»Zu Befehl, Majestät.«
    Er eilte von Deck, um die Anordnung weiterzuleiten. Am Bug begann die Bronzescheibe schwer und dumpf zu dröhnen. Die Ruder peitschten Gischt auf. Die Fahrtgeschwindigkeit der Begleitschiffe verlangsamte sich, während der »Seefalke« sich der dichten, schaukelnden Bootsfront näherte. Die Boote wurden vom Wellengang auf und nieder geworfen, doch keines bewegte sich von der Stelle. Atemlose Spannung herrschte. Ich spürte mein Herz schneller schlagen. Wenn sie nicht auseinanderrücken, dachte ich, werden wir sie rammen …
    Plötzlich, als wir nur noch einige Ruderlängen von der Bootsfront entfernt waren, tat sie sich auf: Mit kleinen, geschickten Stößen trieben die Ruderer die Boote zur Seite, sodass sich ein offener Weg bildete, durch den die Galeere hindurchglitt. Ich sah deutlich die Männer, die in den Booten standen. Ihre Kleidung war aus Pflanzenfasern hergestellt. Sie bestand aus einer Art kurzer Hose, die die Schenkel freiließ, und einem Überwurf mit weiten Ärmeln. Die Haare der Männer waren lang und struppig, die Gesichter bärtig, wie es bei den Ainu Sitte ist. Einige von ihnen trugen seltsame, nachenähnlich geformte Kopfbedeckungen aus Schilfgeflecht.
    Immer langsamer glitt der »Seefalke« durch das bräunliche Wasser, während die unzähligen Boote einen glitzernden, schuppenähnlichen Ring bildeten, der sich immer mehr der Galeere näherte und sich schließlich in gewaltigem Kreis um sie schloss.

2
    D er Kapitän gab einen Befehl. Die Riemen hoben sich knarrend, der Anker senkte sich ins aufspritzende Wasser. Die Galeere ragte im gleißenden Licht auf, umgeben vom Gewirr schaukelnder Boote. Nur das Plätschern des Wassers und das Knirschen der Takelage waren zu vernehmen. Dann löste sich ein Boot aus der Masse und näherte sich der Galeere. Ein Mann stand aufrecht am Bug. Er trug eine glänzend polierte Rüstung mit stählernem Armschutz. Obgleich die Entfernung noch zu groß war, um sein Gesicht zu erkennen, wusste ich, wer er war.
    Iri gab ein Zeichen.
    Das Fallreep wurde heruntergelassen. Die Ruderer brachten das Boot nahe an die Galeere. Die Offiziere versammelten sich auf dem Achterdeck und beobachteten, wie sich Nagasume Tomi an den Sprossen des Fallreeps heraufzog und an Deck schwang. Die Seeleute, die sich an Steuerbord drängten, wichen vor ihm zurück. Die Wachen hielten ihre Waffen fester. Nagasume Tomis Bewegungen waren geschmeidig wie die eines Jünglings, aber als ich ihn aus der Nähe betrachtete, erinnerte ich mich, dass er Amôda bereits als gereifter Mann verlassen hatte. Sein Haar, das unter dem Bronzehelm hervorsah, war schiefergrau. Nach Art der Ainu hatte er sich einen Bart wachsen lassen, und die Brauen, die seine tief liegenden Augen beschatteten, waren buschig. Zwei Schwerter steckten in seiner Schärpe. Er hielt einen Bogen in der Hand und der Köcher mit Pfeilen hing über seinem Rücken. Ein weiterer Mann war hinter ihm an Deck getreten. Es war ein sehr schlanker Jüngling, offensichtlich ein Ainu. Die Augen waren dunkel und schimmernd, sein Bart nur ein Flaum. Lockiges dunkelbraunes Haar umrahmte sein Gesicht. Er trug die kurze Hose aus Pflanzenfasern und einen Wickelüberwurf mit weißen und karminroten Mustern. Sein Gesicht war stolz, abweisend und ein wenig verlegen. Auch er war mit Pfeil und Bogen ausgerüstet.
    Iri stand regungslos unter dem Baldachin. Er hatte die rechte Hand am Schwertgriff und beobachtete die Ankömmlinge mit steinernem Gesicht. Trotz der vielen Jahre, die er in der Wildnis verbracht hatte, wusste Nagasume Tomi, dass ihm Achtung gebührte: Er war von königlicher Herkunft und zudem der Ältere. So legte er weder seine Waffen ab noch warf er sich auf die Knie, sondern verneigte sich mit gelassener
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