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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Luft ein bißchen knapper wurde als früher bei solchen Gelegenheiten.
    William schmunzelte. Er hatte noch eine Überraschung für das junge Paar in petto. Seine Farm hatte genug eingebracht, um ihnen in Montreal ein nettes Haus zu kaufen. Für Percy blieb immer noch reichlich genug. Jim und seine Familie sollten einen guten Start haben.
    Wenn William ganz ehrlich zu sich war, begrüßte er nun die Tatsache, die er früher so bedauert hatte: daß sein Ältester kein Farmer sein wollte. Denn er fühlte sich noch viel zu jung zum Abtreten. Noch habe ich die Reiseschuhe nicht an für die ganz große, letzte Fahrt, dachte William. Die ›Pumpe‹ macht manchmal Schwierigkeiten. Das Bein mit den Splittern drin tut gelegentlich teuflisch weh. Aber jeder hat schließlich seine Blessur abgekriegt, der an der Front gestanden hat. Wir sind zähe Kerle. Wir sterben nicht einfach so.
    Das Brautpaar zog sich jetzt zurück, um sich für die Hochzeitsreise umzukleiden. Sie führte natürlich nach Paris, das Jim seiner jungen Frau zu Füßen legen wollte.
    »Wir sollten uns auch verdrücken«, sagte William zu Jenny. »Weißt du, Kleine, London ist nicht übel, aber es ist eben nicht Ontario. Und Percy fehlt mir doch sehr. Lucille selbstverständlich auch, aber Percy, der kleine Kerl, wird sich ganz verlassen fühlen.«
    Jenny lächelte, und wenn sie so strahlte und kleine Grübchen in den Wangen hatte und den Kopf mit den dunklen Haaren in den Nacken warf, um ihrem Mann von unten her in die Augen zu blicken, sah sie wie ein junges Mädchen aus.
    »Percy wird sich schon einen guten Tag machen … Nun rede nicht rum, William Rockwell«, sagte sie, »gib zu, daß du Heimweh hast!«
    William lachte. »Wie du mich aber auch immer durchschaust, Liebes!«

5
    Man sollte das Leben nicht nach Jahren, sondern nach seinen schönen Stunden zählen dürfen. Doch je länger die große Uhr tickt, desto schwerer legt sich Beklemmung auf die Seele und macht den alten Menschen durstiger nach Freude und Schönheit als den jungen, der alles haben kann.
    William und Jenny hatten vier Enkel: drei von Alice und Jim, der Dozent an der Kunsthochschule in Montreal war und seine Bilder gut und teuer verkaufte, und eins von Lucille, die einen Stadtbaurat geheiratet und alle Pläne von Beruf und Selbständigkeit freudig an den Nagel gehängt hatte.
    Percy war seinem Vater inzwischen über den Kopf gewachsen. Er ging für die Farm durchs Feuer und würde sie eines Tages bestens verwalten. Alles hatte sich wundervoll geregelt für William. Doch da war diese Sehnsucht nach Leben in ihm, die immer stärker wurde. Nein, er brachte es nicht fertig, nur seinen Erinnerungen zu leben. Er hatte, wie alle seine Kameraden, diese Kriegsjahre drangeben müssen, sie hatten diesen Hunger in ihm genährt.
    Die Träume von damals, die das Grauen erträglicher gemacht hatten, waren immer lebendig geblieben. Zwanzig Jahre war es her, seit die Menschheit wieder frei hatte atmen können. Zwanzig Jahre seit dem Waffenstillstand. Und schon wieder hielt die Welt den Atem an. Irrsinn lag in der Luft. Fanatismus hatte längst die Herrschaft angetreten. Aggression und Rachsucht, Dummheit und falsche Duldsamkeit begegneten sich und schufen die schrecklichen Voraussetzungen für einen neuen Weltbrand.
    Aber in diesem furchtbaren Klima blieben die Leutchen ihren privaten Interessen verhaftet und brachten ihre persönlichen Schäfchen ins Trockene, als sei alles in Butter.
    Als William Rockwell die Nachricht bekam, der Bär Kitchener sei erkrankt, beunruhigte ihn dies mehr als die politischen Schlagzeilen auf den ersten Seiten der Zeitungen.
    Kitchener krank! Ein Farmer war nicht zimperlich. Tiere starben, wurden geschlachtet und gegessen, dienten dem Menschen in allem. Aber Kitchener war nun einmal kein gewöhnliches Tier, sondern ein Überlebenssymbol, eng mit dem eigenen Dasein verknüpft, Gleichnis für Kraft, Ausdauer und Mut. Und für das Wunder, das Zufall oder Bestimmung heißen mochte.
    General Powell rief an und teilte William mit seiner Klarinettenstimme mit, er habe dem Londoner Zoo bereits eine angemessene Summe zugesagt, falls das Regimentsmaskottchen operiert werden mußte oder sonstwie eine kostspielige Behandlung vonnöten sein sollte.
    Kitchener war krank!
    Eines Morgens fiel Mr. Bear auf, daß sein riesiger Liebling nicht etwa behäbig faul in seiner Schlafnische ruhte, sondern flach atmend dalag, mit struppigem Fell und glanzlosen Augen.
    Mr. Bear wußte, daß Bären
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