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Im Zauber des Mondes

Titel: Im Zauber des Mondes
Autoren: Karen Robards
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aus seinem Gesicht konnte sie nichts lesen.
    »Weil ich einmal einen Jungen kannte, der dir sehr ähnlich war. Aufbrausend und zu allem bereit. Ich mochte ihn.«
    Der Blick, den er ihr zuwarf, schien ehrlich zu sein. Aber sie hatte schon viele ehrliche Blicke gesehen und die meisten von den größten Lügnern in der Gegend.
    »Kein Interesse.«
    Er zuckte mit den Schultern und stand auf. »Ganz wie du willst. Ich bin im Brazen Hotel in der Lower Bridge Street. Ich breche morgen bei Sonnenaufgang auf. Wenn du einen ehrlichen Job willst, sei dort. Wenn nicht, wünsch ich dir viel Glück.«
    Er legte ein paar Münzen für das Essen auf den Tisch, nickte ihr zu und ging.
    Caitlyn biß nervös auf ihren Lippen herum. Er hatte ihr einen Job angeboten. Sie hatte noch nie einen Job gehabt. Und dreimal am Tag warmes Essen. Lautes Lachen von der Bar riß sie aus ihren Gedanken. Es war nicht gut, als Ire allein in einem englischen Pub zu sein.
    Als sie aufstand, fielen ihre Augen auf die Münzen, die auf dem Tisch lagen. Zögernd sah sie sich um, aber niemand beachtete sie. Blitzschnell steckte sie das Geld ein und verschwand aus dem Gasthof.
    »O'Malley! Ich habe dich schon hängen sehen!« Willie stand auf, um Caitlyn zu begrüßen, als sie in die kleine Hütte kam, die ungefähr acht Jungen als Zuhause diente. Sie hatten sie selbst aus alten Brettern und Blechresten gezimmert. Sie schmiegte sich neben vielen ähnlichen Hütten gegen die Rückseite des Royal Hospitals. Immer wieder wurden sie von den Dragonern abgerissen und von ihren Bewohnern wieder aufgebaut.
    »Du kennst doch das Glück der Iren, Willie!« Sie genoß Willies Erstaunen über ihre Flucht, als sie sich zitternd neben das kleine Feuer kauerte, um sich zu wärmen. Das Feuer qualmte mörderisch, aber sie bemerkte es kaum. Von klein an war sie dem Gestank der Dubliner Slums ausgesetzt gewesen. Abwässer liefen durch die Gossen, und der Müll verrottete in den Straßen. Es gab riesige Ratten und Küchenschaben, die so groß waren wie fette Mäuse. Nach ihrem Aufenthalt im protestantischen Teil Dublins fühlte sie noch stärker, worum sie von den Engländern betrogen wurden. Dort gab es breite, saubere Straßen, hübsche Ziegelhäuschen und Läden und zumindest so etwas Ähnliches wie Gesetz und Ordnung. Im katholischen Dublin trieben Banden von Dieben und Bettlern ihr Unwesen. Die Pinkindies, wie sie genannt wurden, strichen nachts durch die Straßen. Sie ermordeten und beraubten ihre Opfer, vergewaltigten Frauen und brachen wahllos in Läden und Häuser ein. Obdachlosigkeit, Hunger und Brutalität der schlimmsten Sorte waren Bestandteil des täglichen Lebens. Tausende ohne Arbeit waren Tag für Tag nur damit beschäftigt, zu überleben, und das machte sie gefährlich wie wilde Hunde.
    »Doyle und die anderen sind in einem Pub. Ich . . . ich wollte nicht mitgehen. Verdammt, ich dachte, ich würde dich nie Wiedersehen, O'Malley.«
    »Heilige Maria, jetzt heul doch nicht, Willie! Du solltest wissen, daß so ein Engländer mich nicht kriegt.«
    Willie lächelte verzerrt. »Ja, ich hätte es wissen sollen. Wie bist du weggekommen?«
    Caitlyn stand auf, und ihre Hand fuhr in die Tasche, in der sie die Münzen verstaut hatte. Sie wußte, daß sie niemandem davon erzählen sollte. Sie wäre die Münzen los, ehe sie noch »verfluchtes England« sagen könnte, und wahrscheinlich
    würde man ihr auch noch den Hals dafür durchschneiden. Aber Willie war ihr Freund. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte er sich ihrer angenommen. Er war zwar jünger als Caitlyn, aber er hatte sein ganzes Leben auf der Straße verbracht und kannte sich dort aus. Alles, was er wußte, hatte er ihr beigebracht. In der ersten Zeit hatte Caitlyn sehr unter der Erinnerung an ihre geliebte Mutter gelitten. Man hatte sie aus ihrer Stellung als Magd in Dublin Castle entlassen, weil ihre Schwangerschaft immer deutlicher zu sehen war. Dabei war es noch nicht einmal ihre Schuld gewesen, sie war von einem betrunkenen Lord vergewaltigt worden. Beschämt, schwanger und ohne ein Zuhause zog sie mit ihrer kleinen Tochter durch die Straßen, gebeutelt von Hustenanfällen, bis sie so blaß und abgemagert war, daß man schon fast durch sie hindurchsehen konnte. Vor etwa acht Jahren war sie dann in eben diesem Royal Hospital gestorben, an dem jetzt Caitlyns Hütte lehnte. Auf ihrem Totenbett in der Armenstation, voll Sorge und gequält von Schmerzen, hatte sie darauf bestanden, daß Caitlyn sich als Junge kleiden
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