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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens
Autoren: Courtney Milan
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ihre Verkleidung. Stattdessen …
    „Diese Situation“, fuhr er fort und machte eine ausladende Geste mit der Hand, in der er die Zügel des soeben erstandenen Pferdes hielt, „erinnert mich an eines dieser kniffligen Rätsel, die ein Freund aus meiner Studentenzeit in Oxford gerne zu stellen pflegte. Ein Schafhirte, drei Schafe und einWolf müssen einen Fluss überqueren in einem Boot, in dem nur Platz für zwei ist …“
    Erkenntnis und damit verbundene Enttäuschung fassten Wurzel. Kein Wunder, dass er ihr keine peinlichen Fragen über ihre Vermummung und ihre fehlende Begleitung gestellt hatte. Er gehörte zum Kreis jener Herren, die eine Wette über Lady Carhart abgeschlossen hatten. Er sprach in einem beiläufigen, beinahe vertraulichen Ton mit ihr, zu dem allerdings das förmliche Mylady nicht passen wollte. Sie entsann sich seiner Hände um ihre Mitte und der flüchtigen Körperberührung, die sie im Moment des Schreckens lediglich als kurzen Kontakt mit gestählten Muskeln wahrgenommen hatte. Im Nachhinein prickelte ihre Haut an den Stellen, wo er sie berührt hatte, als wecke die Erinnerung geheime Sehnsüchte in ihr.
    Wenn er sie also gut genug kannte, um den Versuch zu wagen, eine Wette zu gewinnen, würde er auch Klatsch über sie verbreiten. Gerüchte würden in den Salons kursieren und über kurz oder lang Harcroft zu Ohren kommen. Nun ging es nicht länger darum, ob Harcroft von ihren Eskapaden erfuhr, sondern nur noch darum, wie und wann.
    Kate bemühte sich, einen klaren Kopf zu bewahren. Es galt unbedingt zu vermeiden, dass diese Situation und ihre Verkleidung mit ihrem Geheimnis in Verbindung gebracht wurden. Sie straffte die Schultern.
    „Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um alberne Rätsel zu lösen“, erklärte sie kühl. „Sie wissen, wer ich bin.“
    Verdutzt sah er sie an, rieb sich das bärtige Kinn und schüttelte den Kopf. „Natürlich weiß ich, wer Sie sind. Das wusste ich in der Sekunde, als ich meine Hände um ihre Taille legte.“
    Kein wahrer Gentleman hätte je gewagt, eine derart anzügliche Anspielung zu machen. Allerdings hätte ein wahrer Gentleman auch nicht den Wunsch in ihr geweckt, ihre Hände an die Stellen zu pressen, die er vor Kurzem berührt hatte.
    Sie schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln, das er nach kurzem Zögern in gleicher Weise erwiderte. Kate hob die Handund lockte ihn mit gekrümmtem Zeigefinger. Er trat einen Schritt näher.
    „Sie denken an diese Wette, nicht wahr?“
    Verdutzt blieb er stehen und schüttelte den Kopf. Kate ließ sich durch seine gespielte Begriffsstutzigkeit nicht ins Bockshorn jagen. Sie hatte im Lauf der Jahre zu viele Varianten plumper Annäherungsversuche durchschaut.
    „Sie ist seit zwei Jahren Stadtgespräch, machen Sie mir also nichts vor“, entgegnete sie spitz. „Und Sie …“, nun stocherte sie mit dem Zeigefinger gegen seine Brust. „Sie haben es darauf angelegt, die Wette zu gewinnen und die fünftausend Pfund einzustreichen.“
    Seine Miene verfinsterte sich.
    „Schon gut“, fuhr Kate spöttisch fort. „Ich weiß, eine Dame mischt sich nicht in Männerangelegenheiten ein, wobei Sie es nicht verdienen, als Gentleman bezeichnet zu werden, wenn Sie sich auf das schändliche Spiel eingelassen haben, mich verführen zu wollen.“
    Er straffte die Schultern und starrte sie verständnislos an. „Sie verführen? Aber …“
    „Bringe ich Sie etwa in Verlegenheit?“, höhnte sie erzürnt. „Habe ich Ihren Stolz mit meiner Offenheit verletzt? Nun können Sie sich vielleicht denken, wie mir dabei zumute ist, wenn meine Tugend Gesprächsstoff in der Londoner Gesellschaft ist.“
    „Aber …“
    „Sparen Sie sich Ihre Ausflüchte. Sagen Sie die Wahrheit. Haben Sie mir aufgelauert, um mich in Ihr Bett zu locken?“
    „Nein!“, widersprach er gekränkt. Dann presste er die Lippen aufeinander, als habe er einen bitteren Geschmack im Mund. „Um aufrichtig zu sein“, fuhr er schließlich leise fort, „und wenn ich es mir recht überlege, ja. Aber …“
    „Meine Antwort lautet: nein, danke. Ich habe alles, was eine Frau sich wünschen kann.“
    „Tatsächlich?“
    Eindringlich sah er sie nun an. Sie überlegte, mit welchen Worten er seinen Freunden diese Begegnung schildern würde. Er würde den Schwerpunkt auf ihre Argumente legen, nicht auf ihre Kleidung. Harcroft würde davon erfahren, ohne Verdacht zu schöpfen. Es wäre lediglich der Bericht eines weiteren Mannes, der sein Ziel nicht erreicht
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