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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens
Autoren: Courtney Milan
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hellblond. Ihre grauen Augen verdunkelten sich immer noch zu einer Gewitterfront, wenn sie wütend wurde. Und ihre Taille … es war nicht gelogen, als er sagte, er habe sie erkannt, als er seine Hände um ihre Mitte gelegt hatte. Er hatte sie nicht oft angefasst, aber die wenigen Male hatten genügt. Sie war von feingliedrigem elegantem Wuchs, und ihre grauen Augen waren von langen seidigen Wimpern bekränzt.
    Damals war sie ihm wie ein Zauberwesen erschienen. Ein Schmetterling, dessen zarte Flügel zitternd in der Sonne schimmerten. Wenn sie lächelte, hatte Ned den Wunsch verspürt, es möge immer Juli bleiben, lauer Sommer und blauer Himmel. Instinktiv hatte er sich gegen die Verheißung eines ewigen Sommers gewehrt, hatte sich gescheut, mit einem Schmetterling über die bevorstehende Winterkälte zu sprechen.
    Kaum vierundzwanzig Stunden wieder in England, erkannte er, welche Bedrohung seine Ehefrau für sein inneres Gleichgewicht darstellte. Ein Mann, der sich im Griff hatte, würde nicht den Drang verspüren, sie gegen eine bröckelnde Steinmauer zu pressen, am helllichten Tage. Ein Mann, der sich im Griff hatte, pflegte einen gesitteten und zuvorkommenden Umgang mit seiner Ehefrau.
    Wie dem auch sei: Ned hatte sich mit einem Kapitän der Königlichen Marine auf eine Machtprobe eingelassen. Er hatte einem Offizier in der East India Company seinen Willen aufgezwungen. Er war nicht mehr der dumme Junge, der England verlassen hatte, um sich etwas zu beweisen. Und er hatte auf gar keinen Fall die Absicht, sich von läppischen Begierdenseine hart erkämpfte Selbstdisziplin zerstören zu lassen.
    Nach einer Weile bogen sie von der Landstraße in eine von Bäumen begrenzte breite Allee ein, die nach Berkswift führte, Neds Elternhaus, in dem er seine Kindheit verbracht hatte. Kate lebte nun also in diesem Haus. Seltsam, dachte Ned, wie unser beider Leben sich trotz meiner Abwesenheit verflochten hat.
    Von den Gartenbeeten, die vor dem kommenden Winter umgegraben worden waren, wehte würziger Geruch nach feuchter Erde herüber. Noch ehe das Herrenhaus in Sicht kam, sah Ned die rötlich gelbe Sandsteinfassade der drei Flügel vor seinem inneren Auge sowie das weite Halbrund der Kiesauffahrt, die zu dieser frühen Morgenstunde noch unbelebt wäre.
    Als sie jedoch den Birkenhain hinter sich gelassen hatten, stellte er fest, dass vor dem Haus bereits reges Treiben herrschte. Dienstboten eilten geschäftig hin und her, drei elegante schwarze Reisekarossen standen im Halbrund der Auffahrt. An der letzten Kutsche konnte Ned ein Wappen erkennen: Silberlöwen auf blauem Grund.
    Kate war jäh stehen geblieben, in gespannter Haltung, die ihn an die Haltung eines Duellanten erinnerte, der seinen Gegner ins Visier nahm. Als er neben sie trat, warf sie ihm einen scharfen Blick zu.
    „Hast du ihn eingeladen?“ Sie wies mit dem Arm auf das Wappen der letzten Karosse. „Hast du ihn in dieses Haus eingeladen?“ Sie hatte die Stimme nicht erhoben, nur ihr Ton klang heller, spitzer.
    „Ich bin selbst erst vor wenigen Stunden in England angekommen.“
    „Das ist keine Antwort. Hast du Harcroft eingeladen?“
    Sie sprach von Eustace Paxton, Earl of Harcroft, verwandt mit beinahe jedem britischen Adelshaus, und sei es nur über sieben Ecken. Harcroft war Neds Cousin zweiten Grades väterlicherseits. Die beiden verband eine jahrelange, wenn auch eher lose Freundschaft. Eustace hatte in noch jüngeren Jahrengeheiratet als Ned. Und kurz vor seiner Abreise nach China hatten Lord und Lady Harcroft Ned einen gewissen Gefallen erwiesen.
    Kate fixierte ihn scharf.
    „Nein“, antwortete er gedehnt. „Der einzige Mensch, mit dem ich gesprochen habe, war mein Rechtsanwalt.“ Selbst wenn die Nachricht seiner Rückkehr sich wie ein Lauffeuer verbreitet hätte, was keineswegs auszuschließen war, konnte Ned sich nicht erklären, wieso Harcroft sich vor Morgengrauen hätte wecken lassen sollen, um noch vor ihm in Berkswift einzutreffen, noch dazu in einer langsameren und schwerfälligen Reisekutsche.
    Missbilligend furchte Kate die Stirn, als habe Ned einen Fauxpas begangen, was gleichfalls nicht auszuschließen war. Acht Monate auf einem Schiff, und ein Mann vergaß so manche Gepflogenheiten feiner Lebensart.
    „Ich glaube, ganz vorne steht Jennys und Gareths Wagen. Vielleicht sind die beiden in Harcrofts Begleitung?“ Er sprach von seinem Cousin Gareth Carhart, Marquess of Blakely, und seiner Gemahlin Jennifer, der Marchioness.
    Kate strich
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