Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
Riesen.
    Luke schluckte und fühlte sich mit einem Mal schwächer und unbedeutender als je zuvor. Er war unfähig sich zu bewegen. Sein Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren, stocksteif stand er da, vor Angst völlig orientierungslos, als wartete er darauf, dass etwas aus dem Unterholz brach und sich auf ihn stürzte. Er hatte
das Gefühl, irgendwo dort könnte eine brutale Macht lauern, eine Kraft, die nur Zerstörung wollte. Er stellte es sich vor, bis er fast daran glaubte.
    Ein Donnerschlag dröhnte durch den Himmel über den Baumwipfeln und das nasse düstere Blätterdach über der Hütte. Der Klang des herabtropfenden Regens verwandelte sich in ein lautes Prasseln.
    »He, Kumpel!« Das war Hutch. »Komm rein hier. Das musst du dir ansehen.«
    Luke löste sich aus seiner Trance. Wunderte sich über sich selbst. Das ist nur die Erschöpfung, die dir dieses verrückte Zeug in den Kopf setzt! Die dunklen Bäume, zwischen denen sie den ganzen Nachmittag hindurchgelaufen waren, hatten ihre Düsterheit auf ihn übertragen. Sie hatte sich wie ein schmutziger Film auf seine Gefühle und Gedanken gelegt und ihn auf Abwege geführt.
    Er musste in Bewegung bleiben. Sich auf etwas konzentrieren. Er ging auf die Tür zu. Jenseits des Rahmens konnte er das blasse Gesicht von Hutch sehen, der hinausspähte. Er hatte seine Mütze abgenommen.
    »Hast du das eben gehört?«
    Hutch schaute zum Himmel. »Ich weiß. Donner und Wolkenbruch. Gut, dass wir diese Hütte gefunden haben. Ein Gewitter hätte unseren beiden Dickwänsten den Garaus gemacht. Dann hätten wir sie zurücklassen müssen.«
    »He, leck mich, du Yorkshire-Drecksack!«, rief Dom aus dem Inneren der dunklen Höhle.
    Trotz seiner Verunsicherung konnte Luke nicht anders, als in nervöses Kichern auszubrechen, das irgendwie aus seiner Kehle nach oben drängte. Er grinste vor sich hin wie ein Idiot. Hutch drehte sich um und ging zurück ins Haus, wo die Lichtkegel der Taschenlampen über die nur undeutlich erkennbaren Wände glitten.

    »Nein. Das meine ich nicht. Die Bäume. Das Geräusch in den Bäumen. Hast du das nicht gehört?«
    Aber Hutch hörte nicht zu. Er war jetzt wieder drinnen bei den anderen beiden. »Was hast du denn da, Dom, alter Junge?«
    Luke hörte Doms Stimme: »Noch mehr von diesem üblen christlichen Schrott.« Dann warf er einen letzten Blick auf den Wald und trat durch den Eingang hinein zu den anderen.

7
    Es war unmöglich zu sagen, wie lange dieser Ort schon nicht mehr bewohnt wurde. Oder was für Menschen hier gelebt hatten.
    Das Erste, was Luke in der engen vollgepackten Hütte im gelblichen Schein der Taschenlampen ausmachen konnte, waren die Schädel. Und dann die Kruzifixe.
    Fleckige Schädel kleiner Vögel bis hin zu denen von Eichhörnchen oder Wieseln waren an die roh gezimmerten Holzwände des großen Raums im Erdgeschoss genagelt worden. Die größeren Schädel, von Bärenmardern oder Rehen und Elchen, waren größtenteils von den Wänden gefallen und auf dem Holzboden zersprungen. Einer oder zwei davon baumelten trotz ihrer morschen Substanz noch grinsend dicht unter der niedrigen Decke.
    Zwischen den Schädeln hing mindestens ein Dutzend Kreuze. So wie sie aussahen – allerdings mochte keiner länger hinsehen – , waren sie aus dünnen Zweigen zusammengebunden worden und inzwischen ziemlich schief, manche hingen sogar verkehrt herum. Von den niedrigen Deckenbalken, die sie gelegentlich mit den Köpfen streiften, baumelten zwei leere verrostete Öllampen, deren Henkel unangenehm quietschten, wenn man sie berührte.
    Unter dem Fußboden huschten Mäuse herum. An diesem
Ort wirkte ihr Rascheln irgendwie verärgert, als wären sie gestört worden, aber ängstlich klang es eigentlich nicht.
    Hutch kam aus einem Anbau zurück, der an den Hauptraum grenzte. »Werkzeug und anderer Kram. Eine ziemlich fies aussehende Sense ist da auch noch. Ich schätze, diese Hütte ist gut hundert Jahre alt.« Er ging zu dem kleinen eisernen Ofen bei der Feuerstelle und klopfte ihn mit seinen schmutzigen Händen ab. »Der ist ganz schön verrostet, fühlt sich aber ziemlich trocken an.«
    Phil prüfte die Tischplatte, die auf zwei Holzböcken lag. Sie knarrte, als er mit beiden Händen darauf drückte. Dom hatte auf der einzigen Sitzgelegenheit Platz genommen – ein roh gezimmerter Holzstuhl, der am Kopf des Tisches stand – und krümmte sich vor Schmerzen, als er versuchte, seine Stiefel auszuziehen. »Hutch, kannst du mir mal helfen? Ich krieg die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher