Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
ihnen wurde ein neues Trink lied angestimmt, auf spanisch diesmal - Tequila, verstand Robert, Habana, Chica, und als Refrain immer wieder: Paraiso!
    »Als Sie mich... dort fanden, Mr. Mortimer, trug ich da nicht noch etwas bei mir?« Er versuchte seine Worte beiläufig klingen zu lassen, aber seine Stimme zitterte, und er mußte sich zwingen, sich nach rechts zu wenden und Mortimer ins Gesicht zu sehen.
    Fahlgelbe Augenbrauen schoben sich auf Stephen Mortimers Stirn in die Höhe, so daß sich seine wasserhellen Augen über den fleischigen Wangen unnatürlich weiteten. Warum war ihm nie zuvor aufgefallen, wie sehr Mortimer einer Katze glich, einem massigen, zusätzlich aufgeplusterten Kater, der Gier und Grausamkeit hinter einer gemütvollen Maske verbarg?
    »Was für ein Etwas soll das denn ungefähr gewesen sein, Mr. Thompson?«
    Robert wandte sich nach links. Climpsey zwirbelte seinen roten Schnurrbart, unter dem die Mundwinkel schon wieder verräterisch zuckten. Treiben Sie doch bitte nicht ein solches Spiel mit mir, wollte er sagen, aber er sah Climpsey nur an, gebieterisch, wie er hoffte, wobei er keineswegs zum ersten Mal dachte: Mit seiner mageren Gestalt, dem roten Schnurrbart und dem fast dreieckigen Gesichtsschnitt erinnerte Paul Climpsey nur allzu sehr an einen Fuchs. »Ich war auf dem Weg zum Go vernment House«, erklärte er in unschlüssigem Ton, »ich wollte ein Seestück zeichnen, wie an jedem Nachmittag. Sollte ich da nicht meine Tasche mit mir geführt haben - Sie erinnern sich doch, Gentlemen, jenen etwas unförmigen Leinenbeutel, in dem ich Stifte, Papier und ähnliches zu verstauen pflege?« Seine Stimme klang immer noch brüchig, und dieser Klang entsprach nur zu sehr dem Grad seiner Zuversicht, die nahezu in Trümmern lag.
    »Wohlsein!« Mortimers Baß dröhnte, die beiden Kumpane hoben die Krüge, und notgedrungen griff auch Robert nach seinem Krug und prostete ihnen zu.
    »Ihren Beutel also?« Climpsey knallte seinen leeren Krug auf den Tresen, rückte seinen Schemel näher zu Robert und blies ihm seinen Rumatem ins Gesicht. »Und Ihren Pinsel, Mr. Thompson?« Er klickerte ein schütteres Kichern in Roberts Ohr.
    »Und diese elementare Bestückung vermissen Sie jetzt, sagten Sie?«
    Robert wandte sich ab und sah starr vor sich auf den Tresen. Am besten, dachte er, trennte er sich sofort von den beiden, ohne ein weiteres Wort. Wenn er noch länger bei ihnen blieb, würden sie ihn nur immer weiter quälen und sich an seiner Furcht und Entwürdigung weiden, aber sie würden ihm niemals zurückgeben, was ihm gehörte. Und noch viel weniger würde er je von ihnen erfahren, was heute nachmittag geschehen war, als er bewußtlos am Boden lag.
    »Aber vielleicht kann Ihnen diese Fundsache über Ihren Verlust hinweghelfen, Mr. Thompson?« Climpsey hatte sich noch weiter zu ihm herübergebeugt, und jetzt legte er auch noch seinen rechten Arm um Roberts Schultern. Mit der Linken schwenkte er eine Papierrolle, die anscheinend in seinem überweiten Umhang verborgen gewesen war. »Es handelt sich zwar nicht gerade um ein Seestück, Mr. Thompson, aber immerhin...« Und er entrollte mit großer Gebärde den Bogen und legte ihn vor Robert ausgebreitet auf den Tresen.

6
     
     
    Robert spürte die Blicke der beiden Kumpane, die einander über seinen Kopf hinweg Zeichen machten, doch in diesem Moment kümmerte es ihn nicht. Still sah er auf das Blatt hinab, das er auf den ersten Blick wiedererkannt hatte, selbst im kargen Schein der Petroleumlampe, die entschieden mehr Qualm als Licht von sich gab.
    Die Skizze zeigte einen reizvollen Fleck im Park von Government House. Auf einem penibel beschnittenen Grasstück erhob sich eine Zwillingspalme, deren beide Stämme so eng nebeneinander und in solchem Gleichmaß emporgewachsen waren, daß man nicht mit der flachen Hand dazwischenkam und selbst die Strahlen der Sonne sich kaum hindurchzwängen konnten. Auf dem Rasen dahinter bildete die Doppelpalme einen länglichen Schattenfleck, der von der Helligkeit ringsum so scharf abstach, daß er beinahe wie ein Abgrund wirkte, ein klaffender Schacht ins Nirgendwo.
    Zögernd hob Robert den Kopf, noch immer vermied er es, Climpsey oder Mortimer anzusehen. Das Herz hämmerte ihm in der Brust. So stand es also fest, dachte er, sie hatten auch seine Tasche gestohlen, denn natürlich stammte diese Zeichnung aus seinem Besitz. Er selbst hatte sie angefertigt, vor einigen Tagen, und kaum erst zur Hälfte vollendet, eine von Mary
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher