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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Maly
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der Seele weh zu beobachten, wie Liam den Kopf des Wallachs hob und dem Tier, das ihn so sehr an seinen toten Bruder erinnerte, tief in die Augen sah.
    Cassio spitzte die Ohren, als sein Herr ihm etwas zuflüsterte und ihn mit liebevollen Stößen aus seiner Trübheit weckte.
    Sobald Cassio den Kopf aus eigener Kraft hob, fasste Liam die Zügel und einen Steigbügel, grub die Stiefel in den Boden und zog.
    » Auf, Cassio, los. Du hast schon mehr überstanden, hoch mit dir! « , schrie er.
    Der Wallach schnaubte protestierend. Kämpfte erst gegen die Zügel an, dann schien er zu verstehen. Ächzend zog er die Hinterbeine unter den Körper und riss Liam die Zügel aus der Hand. Der eilte auf Johannas Seite.
    Augenblicke vergingen, in denen das Pferd um Atem rang, dann presste es das Maul in den Boden und drückte sich hoch. Liam fasste Johanna unter den Schultern und riss sie unter dem Pferdekörper hervor. Cassio schaffte es, die Vorderbeine durchzudrücken, blieb eine Weile zitternd in dieser Haltung und knickte dann wieder ein.
    Liam drückte Johanna fest an sich.
    » O Gott, danke « , hauchte er in ihr Haar. » Kannst du die Beine bewegen? Ist etwas gebrochen? «
    » Sie tun weh, aber ich glaube, es ist alles in Ordnung. «
    Johanna schlang ihren Arm um seine Schulter und stand auf. Reißender Schmerz zuckte durch ihre Schenkel, ein Knöchel fühlte sich verdreht an, doch sie konnte stehen.
    Liam half ihr, sich auf einen liegenden Baumstamm zu setzen, und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.
    » Ich kann das Pferd nicht in seinem Elend zurücklassen, das bin ich Duncan schuldig « , seufzte er. Johannas Blick folgte Liam, während er zu Cassio zurückging.
    Er sprach leise auf das Tier ein, während er ihm Zaumzeug und Sattel abnahm. Er sollte frei sein, in den letzten Minuten seines Lebens. Johanna verstand nicht, was Liam sagte, doch sie ahnte, dass von Duncan die Rede war und von all den überstandenen Abenteuern.
    Johannas Kehle wurde eng, als Liam vor dem Pferd in die Knie ging und seine Arme um dessen Hals schloss. Cassios blaue Augen waren in die Ferne gerichtet.
    Johanna weinte und wischte die Tränen nicht fort, als sie ihre Wangen hinunterrollten. Sie war dem Tier unendlich dankbar. Cassio hatte die Kugel abgefangen und so ihr und ihrem Kind das Leben gerettet.
    Schließlich stand Liam auf und zog seine Pistole aus dem Gürtel. Ungläubig sah Johanna zu, wie er die Waffe lud und den Abzugshahn spannte. Als er den Lauf auf die Stirn des Tieres setzte, hielt sie den Atem an.
    Sie wollte nicht hinsehen, konnte aber den Kopf nicht abwenden. Der erwartete Schuss kam nicht. Liam drehte sich ruckartig weg, fluchte, lief um Cassio herum und blieb wieder vor ihm stehen. Cassio sah vertrauensvoll zu ihm auf.
    Liam setzte ihm erneut die Pistole zwischen die Augen.
    » Tu es nicht, Liam! «
    » Aber ich kann ihn doch nicht hier zurücklassen, damit er elendig krepiert! «
    Johanna stand auf und hatte ihre eigenen Schmerzen beinahe vergessen. Sie humpelte zu Liam und nahm ihm vorsichtig die Pistole aus der Hand. Sein Blick war verzweifelt.
    » Es ist nicht richtig, das spürst du doch auch. «
    Liam schüttelte den Kopf. » Ich schulde es ihm. Und jetzt bin ich zu feige, es zu tun! « Seine letzten Worte endeten in einem lauten Schrei.
    » Bring mich nach Petre, dann kommst du zurück. Ihr habt doch sicher einen Arzt, der eine Ausnahme macht, Liam. «
    » Das Lazarett ist überfüllt, niemand würde…! «
    » Versuche es. «
    Liam nickte, sah ein letztes Mal zu dem Pferd und wandte sich ab. Johanna legte ihm die Hand um die Hüfte, er fasste sie stützend unter dem Arm. Als sie den Weg erreichten, zerriss ein verzweifeltes Wiehern die angespannte Stille.
    Liam hielt wie erstarrt inne. Johanna ging der Laut durch Mark und Bein, doch sie zwang sich, weiterzugehen, und zog Liam mit sich.
    Sie waren keine fünfzig Meter gegangen, da wiederholte sich der verzweifelte Ruf.
    » Es geht nicht! Du wartest hier. « Entschlossen zog Liam seine Pistole. Diesmal, so wusste Johanna, würde er nicht mehr zögern.
    Als er sich umdrehte, um zurückzugehen, entfuhr ihm ein Ausruf des Entsetzens. » Heilige Mutter Gottes! «
    Johanna fuhr herum.
    Mitten auf dem Weg stand Cassio. Wackelig und nur drei Beine belastend. Er wieherte erneut, diesmal leiser, und hinkte auf seinen Reiter zu.
    Es war ein Wunder geschehen.

    Johanna erwachte in einem sauberen weißen Bett. Durch das offene Fenster drangen Stimmen herein. Gespräche und
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