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Im Tal der Giganten

Im Tal der Giganten

Titel: Im Tal der Giganten
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war
schlichtweg unvorstellbar, daß irgend jemand um Hilfe
rief und sich dann versteckte, um ja nicht gefunden zu
werden.
Es sei denn, er hatte einen ganz bestimmten Grund
dafür...
»Ich... bin gar nicht so sicher, daß diese Insel wirklich
unbewohnt ist«, sagte er zögernd. »Wie meinst du das?«
fragte Serena. Trautman sagte nichts, blickte ihn aber sehr
aufmerksam an. »Vorhin, als Singh mich geholt hat«, fuhr
Mike fort, »da habe ich für einen Moment geglaubt, etwas
zu sehen. Ich war nicht ganz sicher, aber jetzt... « »... wäre
es ganz praktisch, einen Grund zu haben, doch noch
hierzubleiben?« schlug Ben vor. Mike starrte ihn böse an,
aber Trautman machte eine entsprechende Geste in seine
Richtung und wandte sich an Ben. »Bitte rede nicht so
einen Unsinn. Mike würde uns bestimmt nicht belügen.
Was genau hast du gesehen?«
Der letzte Satz galt wieder Mike, aber es verging eine
Weile, ehe dieser antwortete. Er versuchte, sich an den
kurzen Moment zu erinnern. Es war ja nicht einmal eine
Sekunde gewesen. »Irgend etwas war da. Ein Schatten,
eine Bewegung... « Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe
es nicht wirklich gesehen, wißt ihr? Aber es war komisch.
Es war... nicht oben auf dem Eis. « »Nicht auf dem Eis?«
wiederholte Trautman verwirrt. »Was meinst du damit?«
»Höher«, antwortete Mike. Er glaubte sich jetzt deutlicher zu erinnern. Es war, als beschwörten die Worte die
Bilder wieder herauf, und das deutlicher, als er sie im
ersten Moment wahrgenommen hatte. »In der Luft. Ja, es
war in der Luft. Irgend etwas ist dort oben entlanggeflogen. « Trautman sah ihn zweifelnd an, während
Ben breit zu grinsen begann. »Ich nehme an, es war ein
Eisvogel, wie?« fragte er. »Nein«, antwortete Mike. »Es
war eine Fledermaus. « Bens Unterkiefer klappte herunter,
und auch Trautman sah plötzlich drein, als könnte er nur
noch mit Mühe ein Lachen unterdrücken. Mike hätte sich
am liebsten selbst geohrfeigt. Die Worte waren ihm
herausgerutscht, ohne daß er es hatte verhindern können.
Aber so unglaublich seine Behauptung selbst in seinen
eigenen Ohren klingen mochte, plötzlich wußte er, daß es
ganz genau das war, was er in der Luft über der Eisklippe
gesehen hatte: den schwarzen Umriß einer Fledermaus.
Nur daß das vollkommen unmöglich war. Nicht nur,
weil Fledermäuse in diesem Teil der Welt gar nicht leben
konnten; dafür hätte sich vielleicht sogar noch irgendeine
Erklärung gefunden. Nein, was Mike wirklich erschreckte,
das war das, was er nicht ausgesprochen hatte:
Die Flügel des Geschöpfes, das er gesehen hatte, hatten
eine Spannweite von mindestens zehn Metern gehabt.
Seine Behauptung hatte das Gespräch zu einem ziemlich
abrupten Ende gebracht. Gottlob war wenige Minuten
später Juan mit dem Abendessen hereingekommen, so daß
sie die nächste halbe Stunde mit Essen verbrachten und
kaum redeten. Keiner der anderen ging noch einmal auf
Mikes Behauptung ein, aber er konnte ihre spöttischen
Blicke deutlich spüren. Er verfluchte sich innerlich dafür,
seine Zunge nicht besser im Zaum gehabt zu haben. Er
wußte selbst, wie wenig glaubhaft seine Behauptung
klingen mußte
- aber je länger er darüber nachdachte,
desto deutlicher schien die Erinnerung zu werden. Er war
ganz sicher: Er hatte eine riesige, schwarze Fledermaus
über dem Eis kreisen sehen. Oder vielleicht auch nur
etwas, was wie eine Fledermaus ausgesehen hat, flüsterte
eine lautlose Stimme in seinen Gedanken.
Mike senkte den Blick und begegnete dem Glühen von
Astaroths einzigem Auge, das ihn unter dem Tisch hervor
fixierte.
»Wie meinst du das?« fragte er laut. Die anderen sahen
nur kurz auf und wandten sich dann wieder ihrem Essen
oder ihrer Unterhaltung zu. Sie hatten sich längst daran
gewöhnt, Zeugen dieser einseitigen Gespräche zwischen
Mike und dem Kater zu sein. Und mit Ausnahme Bens,
der sich dann und wann eine spitze Bemerkung nicht ganz
verkneifen konnte, hatten sie es auch akzeptiert.
Was ich meine, ist, daß du wieder einmal einen typisch
menschlichen Fehler begehst, antwortete Astaroth. Du
setzt einfach voraus, daß die Dinge so sind, wie du sie sehen willst, statt die Dinge so zu sehen, wie sie sind.
»Aha«, sagte Mike. Er war nie ganz sicher, ob er Astaroths manchmal purzelbaumschlagender Kater-Logik
immer ganz zu folgen vermochte. »Ich verstehe. «
Nein, das tust du nicht, behauptete Astaroth. Weil ihr
Menschen nie etwas versteht. Ihr behauptet nur, alles zu
verstehen, und das so
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