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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Autoren: Daniel Woodrell
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düsterer wirkte.
    »Dann wird’s Zeit.« Er ging zur Kommode an der gegenüberliegenden Wand, zog die oberste Schublade auf, holte ein kurzes, gefährlich aussehendes Messer mit gelb-schwarz gestreiftem Griff heraus und steckte es samt Scheide in die hintere Hosentasche. »Weißt du, was das für ein Job ist?«
    »Hat sicher was mit Duncan zu tun.«
    »Also, vergiss das einfach schnell wieder. Du weißt von gar nichts.«
    Er durchwühlte die Schublade, bis er zwischen der Wäsche ein rotes Handtuch fand, das zu einem Ball verknotet war. Er schlug das Tuch auf, nahm eine .32er Beretta heraus und steckte sie in den Hosenbund. Er zog das Hemd aus der Hose und ließ es drüberhängen.
    »Ach du Scheiße«, sagte Suze. »Ich seh schon, so ein Job ist das wieder.«
    Jewel zuckte die Achseln und ging zur Tür.
    »Es ist auch immer noch so ein Leben.«
    Jewel sollte an der Ecke Napoleon und Voltaire Street auf Duncan warten, also ging er ins Chalk & Stroke und kaufte sich zwei Tüten Kitty-Clover-Kartoffelchips und ein Six-Pack. Wäre er vor die Wahl gestellt worden, hätte er in jedem Fall Kartoffelchips lieber gegessen als Steak, und da er diese Entscheidung nur selten treffen musste, lebte er fast ausschließlich von Kitty Clover.
    Er stellte sich in eine Telefonzelle, machte eine Dose Bier auf und stopfte sich die Chips in den Mund. Inzwischen war ziemlich viel los, die Leute gingen in die Kneipen, andere wankten nach Hause, und alle wichen den jüngeren Zeitgenossen aus, die mit bloßer Brust in Satinjacken durch die Straßen schlurften und darauf warteten, dass etwas passierte, worüber sie entweder verächtlich schnauben oder sich totlachen konnten, oder dass es Ärger gab, sodass sie ihre Härte unter Beweis stellen konnten. Falls aber auf die Langeweile nur noch mehr Langeweile folgte, würden sie sich einen weichgepolsterten, glänzenden Schlitten borgen müssen, um diesem miserablen Zustand zu entfliehen.
    Niemand beachtete Jewel Cobb.
    Duncan war pünktlich. Er fuhr in einem langen blauen Mercury vor, der schon bessere Tage gesehen hatte, aber immer noch protzig genug war, um einen Jungen aus Willow Creek schwer zu beeindrucken.
    Jewel setzte sich auf den Beifahrersitz.
    »Hey, Vetter Dunc«, sagte er mit einem Kopfnicken. »Nette Karre.«
    Duncan musterte seinen jüngeren Vetter geringschätzig. Der Junge war zwar so zäh wie ein Hinterwäldler nur sein konnte, hatte aber auch einen fiesen Zug an sich. Eine Warnung an alle Bullen, Mitbürger und potenziellen Opfer: Vorsicht, gleich gibt’s Ärger.
    »Da hast du dir ja ein tolles Viertel ausgesucht«, meinte Duncan, als er sich wieder in der Verkehr einfädelte und die Kopfsteinpflasterstraße nach Norden fuhr. »Frogtown.«
    »Die Miete ist okay.«
    Duncan war Ende zwanzig, mit einem hübsch gewölbten Bierbauch und dicken, starken Armen. Sein blasses, schlaffes Gesicht strahlte etwas Behäbiges aus, was aber durch das ehrgeizige Glitzern in den grünen Augen Lügen gestraft wurde. Er war einfach gekleidet: blaues Strickhemd mit offenem Kragen, beiges Sportjackett, graue Hose. Seine weizenblonden Haare waren kurz, aber nicht zu auffällig geschnitten. Er schien sehr darauf zu achten, dass er nichts an sich hatte, wodurch er in einer Gruppe von drei oder mehr Leuten Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde.
    »Das Viertel heißt Frogtown«, erklärte Duncan, »weil sich die Franzosen da angesiedelt haben – die Frogs. In der Gegend gibt’s jede Menge Frogs.«
    Jewel hatte die Chips verschlungen und sein Bier fast ausgetrunken. Er kippte den Rest der Dose hinunter, stopfte sie unter den Sitz und machte eine neue auf.
    »Frogs, ja? Warum heißen die eigentlich Frogs?«
    »Weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich mögen sie Wasser und Sümpfe und so was. Keine Ahnung. Ist halt so ein Ausdruck. Wie Nigger oder Redneck.« Er erwiderte Jewels Blick. »Aber man sagt es ihnen nicht ins Gesicht. Vor allem, wenn man selber keiner ist. Also, es ist nicht so schlimm wie Nigger, aber höflich ist es auch nicht grade.«
    »Hmm«, brummte Jewel. »Man lernt nie aus.«
    Sie verließen das enge, belebte Viertel und kamen in einen Stadtteil, der etwas großzügiger angelegt, aber nicht weniger ungemütlich war. In östlicher Richtung konnte man jetzt den riesigen und majestätischen Fluss sehen. Wohnmobile und Stelzenhäuser drängten sich dicht am Wasser. Die beiden Männer hatten nur vier Straßenblocks zurückgelegt, aber es hätten genauso gut Meilen sein können.
    »Hier
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