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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Autoren: Daniel Woodrell
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François. »Er war für mich schon immer ein Phantom.«
    »Kann ich jetzt mit seinem Queue Pool spielen, Ma?«, fragte Etta.
    Monique Blanqui Shade zog eine lange graue Augenbraue in die Höhe und sah zu Tip hinüber.
    Tip zuckte die Achseln, trank einen Schluck Wein. »Warum nicht? Ich hab den Stock für ihn mitgebracht. Versuch’s mal, Kleine. Klar. Warum nicht zum Besten greifen? So hat er’s auch immer gemacht.«
    Etta stand vom Tisch auf und ging in den Nebenraum, wo unter einer Hängelampe ein Pooltisch stand. Sie öffnete den schwarzen Queue-Koffer ihres Vaters und hob den schlanken und glänzenden Balabushka aus dem grünen Filz. Dann stand Rene an ihrer Seite.
    »Hübsch, nicht wahr?«, sagte er. »Hier, lass mich dir zeigen, wie’s die Profis machen.« Er nahm ihr die beiden Hälften ab und schraubte sie zusammen. Dann holte Rene einen Würfel Kreide vom Tischrand und rieb mehrere Male mit ihm über die Lederspitze des Queues. »So kreidet man das Queue«, erklärte er. »Vor jedem Stoß kreiden. Immer.« Anerkennend ließ er den Balabushka zwischen den Fingern hin und her gleiten und beugte sich vor, um anzustoßen. Er traf die Weiße tief und wuchtig und trieb sie gegen die aufgebauten Kugeln, die in alle Richtungen über den Tisch rollten. »Yeah, der olle Johnny hat sich mit diesem Stück Holz ’ne Menge Kohle und so manchen Gratisdrink zusammengewonnen, Kleines.«
    »Grampa Enoch hat mir erzählt, dass Dad mal echt gut war.«
    »Und ob, Kid«, sagte Rene. »Wenn man fünfzig Jahre mit diesem Spiel verbringt, sollte man irgendwann echt gut werden.«
    Etta sah zu ihrem Halbbruder auf und verdrehte das Kruzifix am Ohr. »Er hat gesagt, dass seine Augen schlechter wurden.«
    »Er hatte mal sehr gute Augen und eine sichere Hand und Nerven wie ’n Hausfreund an der Hintertür.«
    Rene reichte Etta das Balabushka-Queue. Sie lehnte sich über den Tisch. »Er hat mir noch nie erlaubt, es anzufassen.«
    Die Party teilte sich nach Geschlechtern auf. Nicole und Charlotte blieben mit Monique am Tisch – Nicole ließ den Rotwein im Glas kreisen, wirkte aber irgendwie ernüchtert, Charlotte sagte: »Wie nett wir es doch haben«, sah aber dabei auf ihre goldene Armbanduhr; Monique saß da, blickte ins Leere und war mit den Gedanken ganz woanders. Ein paar Geburtstagsgeschenke lagen ausgepackt auf dem Tisch – eine Teekanne in Fischform, eine grüne Seidenbluse, ein bereits benutzter Barschköder.
    Ab und zu war das laute Klacken der Kugeln auf dem Pooltisch zu hören.
    Rene, Tip und François versammelten sich am Fenster, sahen hinaus auf die Lafitte, die dunkle Straße mit Kopfsteinpflaster, auf der sie ihre Jugend verbracht und die sie nie weit hinter sich gelassen hatten.
    »Ich schätze, diesmal hab ich ihm geglaubt«, sagte Tip.
    »Blödmann«, sagte François.
    »Aber das war, bevor ich wusste, dass er neunhundert Mäuse hatte.«
    Die drei Söhne standen in Reih und Glied und sahen auf die verlassene schwarze Straße. Schließlich legte Rene eine hohle Hand ans Ohr und fragte: »Hört ihr’s?«
    Tip nickte langsam und sagte: »Huup, huup …«
    Sie erkannten den Auftakt, und alle drei Söhne hoben gemeinsam die Gläser, prosteten der dunklen Straße zu, als würden sie einen ganz bestimmten projektilförmigen 51er Ford sehen, der in ihre Richtung rollte, und sagten unisono: »He, Arschlöcher.«
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