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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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Paul erneut an dem Stuhl, und plötzlich glitt dieser so leicht unter dem Tisch hervor, dass Paul nach hinten stolperte und fast das Gleichgewicht verloren hätte. Die Zwillinge lachten, aber Paul überhörte es und setzte sich.
    Ein energischer Blick von Charmaine beendete das Gekicher. Als sie sich fragte, welches Geheimnis dieses Missgeschick verursacht hatte, fiel ihr Verdacht sofort auf den Neuankömmling in ihrer Runde. Schon wegen seiner teuflisch glitzernden Augen.
    Als der erste Gang serviert wurde, trat Stille ein. Allerdings nicht für lange.
    »Ich habe heute Nachmittag jemanden auf dem Piano spielen hören«, sagte John nach einer Weile.
    Alle sahen auf, nur Charmaine starrte auf ihren Teller.
    »Es klang ganz gut … wer auch immer gespielt hat.«
    Stumm maßen sie einander mit Blicken. »Ja, ganz gut«, sagte er noch einmal und sah sie herausfordernd an. »So gut wie ein paar Kinderlieder und eine bemühte Sonate eben klingen … Sehr … wie soll ich das sagen? Sehr hübsch.«
    Besteck klapperte auf Porzellan, und Charmaine verfluchte die Röte, die ihr ins Gesicht schoss und ihren Zorn offenbarte. Johns durchdringender Blick ließ sie nicht los, also schlug sie die Augen nieder.
    Da ihm sein Gegner abhanden gekommen war, drehte sich John zu Paul um, der seine Kommentare nicht bemerkt zu haben schien. Offenbar hatte er sich noch nicht von seinem Kampf mit dem Stuhl erholt. Pauls wunder Punkt war seine Reizbarkeit, und John gab keine Ruhe. Wie weit muss ich die Gouvernante reizen, bis sie um sich schlägt und Paul zu ihrer Rettung herbeieilt?
    »Ich würde gern erfahren, wer heute Nachmittag so hübsch gespielt hat?«, fragte John betont höflich.
    Ein Meister der Verstellung, dachte Charmaine, aber sie schwieg und nahm lediglich die Gabel in die Hand.
    »Weiß es wirklich keiner?«, fragte er noch einmal und sah Yvette an. »Womöglich ein Geist?«
    »Ich weiß, wer es war«, rief die Kleine.
    Charmaine stöhnte insgeheim. Warum beantworte ich diese dämliche Frage nicht einfach und verderbe ihm sein Spiel?
    »Nun?«, drängte John.
    »Informationen kosten Geld«, sagte Yvette. »Wie viel zahlst du?«
    Charmaine war peinlich berührt, aber George lachte nur.
    »Hör auf zu lachen, George«, herrschte John ihn an. »Offenbar hat dein Geiz schon auf meine Schwester abgefärbt.«
    George sah betreten drein, und John richtete seinen Blick auf Yvette. »Also gut, Yvette, du erwartest doch nicht ernsthaft ein Angebot von mir, oder? Wenn doch, so könnte sich Auntie für die kleine Geschichte interessieren, die wir heute Morgen im Wohnzimmer besprochen haben.«
    Agatha beugte sich vor und wollte zu gern hören, was am anderen Ende des Tischs vor sich ging.
    »Mademoiselle Charmaine hat gespielt«, sagte Yvette rasch.
    Charmaine erbleichte. Nun, da es heraus war, ärgerte sie sich über die Methode, wie John ein achtjähriges Kind für seine Zwecke missbraucht hatte! Leider hatte die Taktik Erfolg gehabt, und er grinste triumphierend. Charmaine musste schlucken, weil Übelkeit in ihr aufstieg. Aber damit war das Thema noch nicht beendet.
    »Was war das für eine Sache mit Yvette?«, fragte Agatha streng.
    Aber John winkte ab. »Das ist nicht weiter interessant, Auntie.«
    Agatha stotterte einen Augenblick, doch so schnell ließ sie sich nicht abwimmeln. »Du … Du solltest dich einer höflicheren Anrede befleißigen, mein lieber Neffe.«
    »Auch wenn Sie meinen Vater geheiratet haben, bleiben Sie für mich immer ›Auntie Hagatha‹.«
    »Wie du meinst, John. Aber sei sicher, dass dein Vater davon erfährt!«
    »Na wunderbar! Wenn Sie jetzt gleich nach oben rennen und sich beschweren, könnten wir anderen wenigstens ungestört essen.«
    Wütend starrte Agatha ihn an, blieb aber sitzen. Da es ihr leider an giftigen Entgegnungen mangelte, richtete sie ihren Zorn gegen die Scheibe Fleisch auf ihrem Teller, die sie geräuschvoll mit Messer und Gabel attackierte.
    John wandte sich wieder an Charmaine. »Sagen Sie, Miss Ryan, waren das wirklich Sie?« Er bemerkte, wie Paul unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte. »Haben Sie heute Nachmittag Piano gespielt?«
    »Ja«, antwortete Charmaine schlicht und sah dem Quälgeist ins Gesicht.
    »Sie spielen recht gut. Viele sind mit dem modernen Pianoforte noch nicht vertraut und hämmern wie auf einem Cembalo darauf herum. Haben Sie etwa bei einem Maestro Unterricht genommen?«
    Der unverhüllte Sarkasmus reizte Charmaine bis aufs Blut.
    Rose Richards spürte ihre
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