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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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sich nicht ge täuscht. John wusste über ihre Vergangenheit Bescheid und hatte auf einen günstigen Augenblick gewartet, um sie bloßzustellen. Und das vor den Kindern! Am liebsten wäre sie davongerannt. Ich habe gelernt, dass man seinem Feind niemals den Rücken zudreht .
    »Mein Vater ist eines Tages verschwunden«, erwi derte sie trotz Agathas hinterhältigem Lächeln mit kühler Stimme, »und nicht zurückgekommen.«
    »Er ist einfach so verschwunden?«, höhnte John. »Und nie zurückgekommen? Menschen verschwinden nicht so einfach, Miss Ryan. Es gibt sicher einen Grund, warum er Sie verlassen hat. Welcher Mann tut so etwas?«
    Teilnahmsvoll sah Rose zu Charmaine hinüber, weil sie solch unsensible Fragen nicht verdiente. »Lassen Sie es gut sein, Master John«, mahnte sie ihn. »Ihre Kartoffeln werden kalt.«
    »Die sind längst kalt«, entgegnete er, ohne Charmaine aus den Augen zu lassen. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Miss Ryan. Besonders glaubhaft finde ich Ihre Geschichte nicht. Hat Ihr Vater das wirklich getan?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Und warum?«
    Charmaine biss die Zähne zusammen. John spielte seine Rolle sehr geschickt, indem er vorgab, die Antworten nicht zu kennen, die er längst auswendig gelernt hatte, und sie außerdem als Lügnerin hinstellte. »Mein Vater war für den Tod meiner Mutter verantwortlich«, stieß sie hervor. »Er verschwand, um der gerechten Strafe für sein Verbrechen zu entgehen.«
    Zweifelnd sah John sie an. Ihre schauspielerischen Fähigkeiten waren nicht zu leugnen. Allein die Tränen, die in ihren Augen schimmerten! Dafür verdiente sie zweifellos Anerkennung. Aber Mord? Wollte sie etwa andeuten, dass ihr Vater ein Mörder war? Ein Blick auf Pauls ernstes Gesicht bestätigte die makabere Vermutung. »Was für ein Mann«, lautete sein beißender Kommentar.
    »Sind Sie jetzt endlich zufrieden?«, fragte Charmaine. »Macht es Ihnen Spaß, mich vor den Kindern herabzusetzen, oder wollen Sie nur beweisen, dass ich nicht in der Lage bin, für sie zu sorgen?«
    »Ich mache Sie keineswegs für die Taten Ihres Vaters verantwortlich, Mademoiselle, auch wenn Sie mir das unterstellen, sondern allein für Ihre eigenen. Für eine solch schlimme Tat hätte man diesen Mann auspeitschen und aufhängen sollen. Doch wenn ich Ihnen in Zukunft eine Frage stelle, so sollten Sie schonungslos die Wahrheit sagen. Ich bin ein ehrenhafter Mann und respektiere alle, die mir gegenüber ehrlich sind. Wenn Sie sich an meine Worte halten, können wir vielleicht sogar gut miteinander auskommen.«
    Charmaine war verblüfft – und gleichzeitig fühlte sie sich durch die gönnerhafte Art abgestoßen. Ein ehrenhafter Mann! Bah! »Ich fürchte, in diesem Punkt widersprechen Sie sich selbst, Sir. Am Samstagmorgen habe ich die Wahrheit gesagt, aber Sie haben sich geweigert, auch nur ein Wort davon zu glauben.«
    Sofort bereute sie, dass sie das Thema angesprochen hatte. Paul warf ihr zwar einen verwunderten Blick zu, aber sie spürte, wie er ihr trotzdem innerlich applaudierte.
    John dagegen war nicht so leicht zu beeindrucken und lachte sie einfach aus. Er ging zur Bar und holte sich eine Flasche Wein. »Halten Sie mich doch nicht zum Narren, Miss Ryan«, herrschte er sie an, während er die Flasche entkorkte und sein Glas füllte. »Die arme, unschuldige Charmaine Ryan kommt auf der Suche nach ihren Schützlingen ganz zufällig in mein Zimmer, als ein Windstoß gerade die Schublade aufreißt, die Blätter herausweht und auf den Boden flattern lässt. Woraufhin die gute Seele ihre erste gute Tat des Tages vollbringt und die Blätter vom Boden aufsammelt und liest … In diesem Moment stürmt das grauenhafte Ungeheuer namens John Duvoisin ins Zimmer, und seine rabenschwarze Seele missdeutet ihre ach so große Freundlichkeit …«
    Wütend sprang Paul auf und schlug so heftig mit den Fäusten auf den Tisch, dass das Porzellan klirrte. »Du ruhst wohl nicht eher, bis du jeden an diesem Tisch beleidigt hast, nicht wahr?«, rief er.
    George sprang ebenfalls auf und sah Paul kopfschüttelnd an, bevor er zu John hinüberging, in dessen Augen Hass glühte. »Los komm, John, setz dich wieder hin und iss weiter«, befahl er und zog ihn zurück an den Tisch.
    Zur Überraschung aller wagte John keinen Widerspruch, und auch Paul setzte sich wieder hin. Peinliche Stille breitete sich aus. Charmaine überlegte, was dieser letzte Ausbruch zu bedeuten hatte, und sah von einem zum anderen. Paul schien
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