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Im Sog Des Boesen

Titel: Im Sog Des Boesen
Autoren: John Sandford
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    Weather war in der Küche, als er nach Hause kam. Sie trug ihr knöchellanges Flanellnachthemd und begrüßte ihn, eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit verärgertem Gesichtsausdruck. Doch dann bemerkte sie seinen Blick.
    »O mein Gott, was ist jetzt wieder passiert?«
    Er redete nicht um den heißen Brei herum und schilderte alles sachlich, als würde er einen Zeitungsbericht vorlesen.
    Als er fertig war, schwirrte ihr der Kopf. »Die ganze Familie tot«, sagte sie. »Wie konnte das nur passieren?«
    Und dann: »Was, wenn ich dich damals nicht gebeten hätte, mit Alyssa zu reden? Wenn ich ihr nicht im Fitnesscenter begegnet wäre, würde sie noch leben.«
    »Dann hätten an ihrer Stelle möglicherweise andere Leute sterben müssen«, erwiderte Lucas. »Sie hat mindestens drei Menschen umgebracht. Wer weiß, wie viele noch auf ihrer Liste standen?«
    »Dich wollte sie auch töten. Fast hätte sie es geschafft. Es ist ihr nur nicht gelungen, weil …«
    »… weil ich Glück hatte, Riesenglück.«
    »Das kann nicht nur Glück sein, Lucas …«
    Gespräche wie dieses würde es mindestens zwei Wochen lang geben.

     
    Sobald Weather aus dem Haus war, erkundigte sich seine Pflegetochter Letty nach den Einzelheiten. Während er sie ihr schilderte, aß sie Karottenschnitze. Als er geendet hatte, reichte sie ihm die Schnitze und sagte: »Ein guter Schuss. Vielleicht …«
    »Was?«
    Ihr Blick wurde kühl. »Vielleicht hättest du ein zweites Mal abdrücken sollen. Reines Glück, dass sie keinen weiteren Schuss abgeben konnte.«
    »Du warst nicht dabei; du hast es nicht gesehen.«
    »Das stimmt«, sagte Letty und biss in den letzten Karottenschnitz. »Gut gemacht.«
     
    Am folgenden Morgen kamen Shrake und Jenkins mit betretenen Gesichtern zu ihm ins Büro.
    »Sie fangen doch jetzt nicht das Grübeln an, oder?«, wollte Jenkins wissen.
    »Nein, glaub ich nicht.«
    »Ich hab den Bericht gelesen«, sagte Jenkins. »Ihnen ist wirklich nichts anderes übrig geblieben.«
    Lucas nickte. »Ich weiß.«
    »Aber Sie neigen zum Grübeln«, bemerkte Shrake.
    »Haben Sie denn vergangene Nacht schlafen können?«, fragte ihn Lucas.
    »Wie ein Baby«, antwortete Shrake.
    Jenkins schnaubte verächtlich. »Du hast Ringe unter den Augen wie ein Waschbär.«
    »Tja, sieht ganz so aus, als sollten wir’s alle ein paar Tage lang ruhiger angehen lassen«, sagte Lucas.
    Shrake nickte. »Ja, auch wenn’s wahrscheinlich gar nicht so leicht sein wird, nicht dran zu denken.«
     
    In den folgenden Tagen wurde das Ricky-Davis/Helen-Sobotny-Problem immer komplexer. Davis hatte eine vollständige
Aussage gemacht, weil er sich nicht weiter mit der Sache belasten wollte. Seine Version der Geschichte sah so aus, dass Helen Frances Austin im Verlauf eines unvorhergesehenen Streits in der Küche des Austin-Hauses getötet und ihn anschließend telefonisch angefleht hatte zu kommen. Als er eintraf, hatte sie bereits die Küche geputzt und Frances in ihren Mantel gehüllt. Davis hatte sie beschworen, die Polizei zu informieren, worauf sie sagte, dann werde sie für immer im Gefängnis schmoren. Sie liebe ihn, gemeinsam würde es ihnen gelingen, ungeschoren davonzukommen.
    Am Ende hatte er eine Plastikplane aus dem Abschleppwagen geholt, die Leiche hineingewickelt und sich auf den Weg gemacht, um sie irgendwo in einen Straßengraben zu legen. Helen hatte unterdessen Frances Austins Wagen vor das Haus gebracht, in dem sie wohnte, und war dann mit dem Taxi zu Odd’s Abschleppdienst gefahren, um Rickys Auto zu holen und damit nach Hause zurückzukehren.
    Helen hatte Lucas’ Telefongespräch über die fünfzigtausend Dollar und seinen Plan, am Abend den Club aufzusuchen, belauscht; Davis besaß eine Waffe zur Selbstverteidigung. Helen hatte ihn gedrängt, vor dem Lokal auf Lucas zu schießen.
    »Ich wollte nicht, aber sie hat mir keine Ruhe gelassen«, jammerte Davis. »Ich hatte wirklich nicht die Absicht, Sie zu verletzen«, versicherte er Lucas, »sondern wollte nur in den Boden schießen.«
    Die Laborberichte bestätigten seine Schilderung der Geschehnisse.
     
    Helen Sobotny war nicht zum Reden zu bewegen, doch die Äußerungen ihres Anwalts passten zu Davis’ Aussage. Allerdings hatte in ihrer Version Davis Frances Austin mit dem Messer umgebracht und aus freien Stücken auf Lucas geschossen, sobald er durch Helen von dem Telefonat erfuhr.
Angeblich hatte sie Davis angefleht, es nicht zu tun, jedoch aus Angst vor seiner körperlichen
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