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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca
Autoren: Susanne Kaiser
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gegen die Macht der drei kam sie nicht an. Jens Arne verfolgte mit hämischem Grinsen, wie siesich vor Peinlichkeit wand, und sparte nicht mit bissigen Kommentaren: »Los, los, nicht so prüde, Erotik hat man eben oder man hat sie nicht, da hilft die beste Schauspielkunst nichts.« Auch musikalisch ließ er Elia keinen Raum. Was er wollte, war ein vor Sinnlichkeit strotzendes, ordinäres Biest. Dafür durfte Luciano da Monte seinem Geröhre freien Lauf lassen, ohne dass ihn Jens Arne auch nur einmal zur Mäßigung angehalten hätte.
    Es war eine scheußliche Zeit für Elia. Sie hatte das Gefühl, Jens Arne wollte sich für alles rächen, was in ihrer Ehe schiefgelaufen war. Zu Hause tat Elia den Mund nicht mehr auf, sie verschwand nach den Proben unverzüglich auf ihr Zimmer und ließ sich von Mrs MacNeill bemuttern. Die massierte Elia den Rücken mit ihrer Kräuteressenz und servierte ihr einen Teller Spaghetti ans Bett. Sie hatte sich extra ein italienisches Kochbuch besorgt, um herauszufinden, wie sie diese sonderlichen Gebilde zubereiten sollte.
    Die Carmen hatte Elia lange gereizt, gerade weil sie nicht unbedingt auf ihrer Linie lag, und sie hatte ein genaues Gespür für die Figur gehabt. Das kam ihr im Verlauf der Proben vollkommen abhanden. Am Ende wusste sie nur noch eines: dass sie unaufhaltsam einer Katastrophe entgegenging. Sie sang mit Todesverachtung die Premiere und noch die nächste Vorstellung. Beide gerieten genauso peinlich, wie Elia es befürchtet hatte. Das Publikum und die Presse reagierten verdutzt, aber nicht hämisch, angesichts des Renommees der Künstler herrschte eher das Gefühl, man habe irgendetwas nicht richtig mitgekriegt.
    Elia bekam starkes Kopfweh und Fieber. Der Arzt stellte einen stark geröteten Rachen und allgemeine Erschöpfung fest und verordnete Bettruhe. Zum ersten Mal in ihrem beruflichen Leben warf Elia das Handtuch! Wütend wollte Jens Arne sie zur Rede stellen, aber Mrs MacNeill hielt bereits Wache: »Sorry, Mr Holsteen, aber der Arzt hat mir gesagt, wir müssen Ihre Frau unbedingt schlafen lassen.«
    Jens Arne glaubte nicht an Elias Krankheit. Er nahm ihr die Absage persönlich übel, als habe sie es gewagt, sich gegen ihn zu erheben. Das würde er ihr nicht vergessen. Was er vergaß, waren die vielen Male, die Elia, auch wenn es ihr wirklich schlecht ging, tapfer all ihre Kräfte mobilisiert hatte und auf die Bühne gegangen war, ohne um Schonung zu bitten. Jens Arne zischte nur feindselig: »Blödsinn, wenn man will, kann man immer.« Ihn kränkte am meisten, dass Elia die Entscheidung allein mit dem Arzt getroffen und die Direktion benachrichtigt hatte, ohne ihn zu fragen!
    Die erzwungene Ruhe tat Elia gut, und nach einigen Tagen konnte sie wieder aufstehen. Aber müde war sie immer noch, und London war nicht schuld an ihrem Unbehagen, wie sie eine Zeitlang geglaubt hatte. Denn in Paris, wohin sie mit Jens Arne zu einem Gastspiel fuhr, erging es ihr nicht viel besser. Müde und schlapp, sie hätte im Stehen einschlafen können! Nicht einmal ein Besuch bei Yves Saint Laurent vermochte sie aufzumuntern. Im Grunde gefiel ihr dort nichts so recht, und nur um nicht unhöflich zu erscheinen, kaufte sie einen schwarzen Hosenanzug und ein hochgeschlossenes schwarzes Abendkleid. Schwarz! Wann hatte sie das jemals getragen? Das Kleid wählte sie für ein Essen im Tour d’Argent. Früher hätte Jens Arne wohl eine Bemerkung über die düstere Strenge fallen lassen, aber inzwischen schien er gar nicht mehr zu bemerken, was sie anhatte.
    Dafür gab es eine lustige Überraschung in Paris: ein Wiedersehen mit Karlchen. Als sie ihn im ersten Überschwang so nannte und sich dann gleich verbesserte, lachte er nur: »Karl, Karlchen, Charles, Charly, nenn mich, wie du magst, aus deinem Mund gefällt mir alles.« Hübsch sah er aus, ein hochgewachsener, schlanker, immer noch sehr jung wirkender Herr, und er war noch genauso warmherzig und liebenswürdig wie in den längst vergangenen, glücklichen Zeiten.
    Sie hatten sich mindestens seit zwei Jahren nicht gesehen, wenn nicht noch länger, aber die alte Vertrautheit war gleichwieder da. Sie spazierten an der Seine entlang und dann hinüber ins Quartier Latin. Schließlich setzten sie sich im Jardin du Luxembourg auf die alten Eisenstühle, die dort herumstanden, und schauten den spielenden Kindern zu. »Ich habe inzwischen eine kleine Tochter. Und auch eine Frau, wir leben in Brüssel«, sagte Karl. Er zog aus seiner Brieftasche ein
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