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Im Schatten der Schlange

Im Schatten der Schlange

Titel: Im Schatten der Schlange
Autoren: Hugh Walker
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Er betete meist ein Gebet, bei dem jeder Vers endet: 'Das Fleisch ist faul! Das Fleisch ist verderbt! Oh, Argh! Laß meinen Geist sich befreien!'
    Und wie ich krank darniederlag, glaubte ich bald einen Sinn darin zu sehen – mit diesem Körper zu sterben oder mich davon zu lösen. So begann ich auch zu Argh zu beten und zu befolgen, was er lehrte. Und bald bedeutete mir mein Körper nichts mehr, auch nicht, als er wieder gesund wurde…«
    Sie schwieg einen Augenblick und fuhr schließlich fort: »Ich sage Euch das, damit Ihr wißt, wie leicht es mir fällt, Euch ein wenig Glück zu geben, wenn das Euer Wunsch ist.«
    »Ich habe noch keine Erfahrung mit Glück oder Leid dieser Art«, bekannte Dilvoog. »Aber wie du denke ich anders über das Leben und den Körper als sie alle…« Er deutete auf die Schlafenden. »Ich würde gern dieses Glück nehmen, das du mir anbietest. Und jedem dieser Männer würdest du es geben können, nur nicht mir…«
    Er schüttelte bedauernd den Kopf. Der fragende Blick in ihren Augen schmolz zu Mitleid. Es erfüllte ihn mit Wärme, denn noch nie zuvor hatte jemand Mitleid mit ihm gehabt oder auf andere Art mit ihm gefühlt.
    Sie lächelte, als er um das Feuer herum zu ihr trat und sich neben ihr niederließ. Kr drehte sich zu ihr und nahm ihre Hand. Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen, denn sie dachte, er würde sie nun küssen.
    Aber sie erstarrte mitten in der Bewegung, denn sie spürte seine Hände nicht. Aber sie sah sie durch ihre eigenen dringen, als wären diese nicht mehr als Rauch.
    Sie preßte die Hände auf den Mund, um nicht aufzuschreien und das Lager zu wecken. Als sie sich gefaßt hatte, berührte sie ihren Körper, preßte die Fäuste zusammen und sah erleichtert, daß sie fest waren. Dann berührte sie ihn. Ihre Hand lag fest auf seiner Wange, fühlte die Wärme seiner Haut, den struppigen Bart.
    Er griff erneut nach ihr, und diesmal glitt seine Hand mühelos durch ihr Kleid, ihre Schulter, ihren Hals.
    »Wer hat recht?« sagte sie tonlos.
    »Ich«, erklärte er bestimmt.
    Sie starrte ihn an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Warum?«
    »Weil ich die Kräfte kenne, die hier am Wirken sind. Deshalb weiß ich, daß dein Körper nur ein Trugbild ist. Selbst diese Männer würden erkennen nach ein paar Opisblättern, die ihre Sinne weit genug öffnen.«
    »Was sind das für Kräfte?« fragte sie.
    »Keine Kräfte des Lebens. Sie können deinen Körper nicht wieder erschaffen.«
    »Dann sind es Kräfte der Finsternis?«
    »Nicht weit von hier wirft die Finsternis einen Schatten über die Welt. Sie nennen es die Schlange Aescyla. Ihre Spur ist voller Magie. Sie hat eure Körper geschaffen.«
    Sie überdachte es und fragte: »Was bedeutet es?«
    »Er lebt nicht wirklich…«
    »Dein Körper lebt nicht wirklich…«
    »Du könntest aufhören zu spüren, wenn du wolltest. Du brauchtest nicht zu essen oder trinken, nicht zu schlafen. Dieser Körper ist nur ein Werkzeug für deinen Geist und deine Seele, um eine Spur hinterlassen…«
    »Ist das nicht jeder Körper? Ist da nicht der Sinn des Lebens überhaupt… eine Spur auf der Welt zu hinterlassen?«
    Er nickte nachdenklich. »Vielleicht, Trygga. Ich habe über solche Dinge noch nie nachgedacht. Ich lebe noch nicht lange genug, um über einen Sinn nachzudenken.«
    Nach einer Weile des Schweigens sagte sie: »Meinen Körper verlor ich in Oannons Tempel vor langer Zeit. Vielen erging es so wie mir. Unsere Körper sind Krieger in einer Armee der Finsternis in der Welt Oannons… beseelt von Finsternis…« Sie schauderte. »Und hier ist es die Finsternis, die von mir beseelt wird. Vielleicht kann ich damit für das Lieben kämpfen… an Eurer Seite? Ich weiß, daß Ihr die Finsternis bekämpft. Ich bin im Grunde ein Geschöpf der Finsternis. Den Gesetzen des Lebens nach wäre ich längst tot…«
    »Den Gesetzen der Finsternis nach dürfte ich nicht leben«, fügte Dilvoog hinzu. »Wer von uns ist wohl besser dran?« Er grinste. »Vielleicht… wenn deine Erinnerungen stark genug sind, um diesen Körper auszufüllen, und wenn ich in meinem Kopf die Wahrheit und das Wissen um die Kräfte stark genug verleugne…«
    Er beugte sich zu ihr, nahm vorsichtig ihr Gesicht in seine Hände, und nach einer Weile, als seine Gedanken dem unverständlichen Zauber erlagen, den er vom ersten Moment an bei ihrem Anblick gespürt hatte, wurden ihre Wangen fest und warm, und er war dankbar dafür, daß der menschliche Geist so leicht zu täuschen
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