Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Schlange

Im Schatten der Schlange

Titel: Im Schatten der Schlange
Autoren: Hugh Walker
Vom Netzwerk:
verlor merklich an Kraft, als wollte sie sich auflösen. Sie umhüllte Dilvoog einen Moment, der sich ihr stellte und ihr mehr Kraft nahm, als sie entbehren konnte. Ein wütendes Heulen fegte über die Lichtung, und die Kreatur ließ ab von Dilvoog. Sie war bereits so schwach, daß Nottr durch sie hindurchsehen konnte.
    In Nottr entdeckte sie plötzlich das begehrte Leben. Sie glitt auf ihn zu.
    »Paß auf!« rief Dilvoog und lief hinter ihr her.
    Nottr wich keinen Schritt. Er spürte das Beben der Klinge und hob sie abwehrend. Durch all die schwarze Magie geweckt, kamen die Seelen der Toten haßvoll und rachesuchend aus dem Eisen der Klinge, in die Horcan, der Gott des Todes und der Herr der Stürme, sie gebannt hatte, und rasten, einem unirdischen Wind gleich, auf die Schwärze zu. Sie stob auseinander. Da war ein triumphierendes Schreien von verwehten menschlichen Stimmen, und die Schwärze, die Barynnen aus den Abgründen jenseits der Wirklichkeit beschworen hatte, war nicht mehr.
    »Ohne Stein«, sagte Dilvoog, »haben sie nichts, woran sie sich festhalten können in der Welt der Lebenden.«
*
    Die Krieger kamen nach und nach im hohen Gras auf die Beine, wenn auch nicht sehr sicher. Die meisten hatten vor wenigen Augenblicken Opis gekaut – Opis von einer Kraft, wie das Kraut in den Wildländern niemals hatte.
    Dann hatten die Mauern ihre Festigkeit verloren, aber nicht nur die Mauern, auch der Boden unter den Füßen. Der ganze Tempel hatte sich in nichts aufgelöst, und sie waren durch die Luft gesegelt.
    Dann waren sie in die Fluten eines Sees oder eines Tümpels gestürzt, obwohl sie wußten, daß fester Boden unter ihnen sein mußte. Und nun waren ihre Kleider staubtrocken. Die meisten der Männer waren noch mit kräftigen Schwimmbewegungen beschäftigt, als ihnen klar wurde, daß sie im Gras lagen.
    »Godh!« entfuhr es einem. »Ich könnte schwören, daß ich ersoffen bin. Ich kann gar nicht schwimmen!«
    Andere lachten und sagten, sie würden es ihm schon beibringen, wenn sie erst an der Straße der Nebel wären. Abgesehen von der Berauschtheit gab es bei keinem Nachwirkungen. Selbst das Gift war aus ihren Bäuchen verschwunden, als wäre es ebenso unwirklich gewesen wie der ganze Tempel.
    Vier Caer waren tot, aus großer Höhe herabgestürzt, aber nicht wie die übrigen in das Wasser.
    Thonensen sagte bedauernd: »Ich war nicht rasch genug. Aber es war meine erste Beschwörung während eines Sturzes. Und wäre ich nicht so trunken von diesen Blättern des Schamanen gewesen, hätte ich wohl vor Furcht keinen so vernünftigen Gedanken fassen können. Ich werde mir merken müssen, daß Einfallsreichtum nicht unbedingt eine Gabe des klaren Verstandes ist. Ich verstehe allerdings nicht, weshalb dieselbe Trunkenheit uns befähigte, durch die Mauern des Tempels zu gehen…«
    »Weil sie ein wenig der Wahrheit enthüllte«, erklärte Dilvoog.
    »Der Wahrheit?«
    »Der Tempel war nur eine Selbsttäuschung… für Barynnen wie für uns. Es hat ihn nicht wirklich gegeben.«
    »So sind wir nur auf einen Trick hereingefallen?« meinte Nottr.
    »Nein. Es war mehr als ein Trick. Es war stümperhafte Magie. Ich habe genug gesehen, um es zu verstehen. Ich weiß noch nicht, was diese Schlange zu bedeuten hat, in deren Spur alles zu Stein wird. Sie ist wie ein Schatten… aus der Finsternis. Und sie hat ihren Weg erst begonnen. Hier ist alles voller Kräfte… als ob sich Leben und Finsternis vermischten. Ich weiß nicht, ob es gute oder lebensfeindliche Kräfte sind, aber sie gehorchen jedem, der sich ihrer bedienen will und ein wenig um magische Dinge weiß. Barynnen weiß eine ganze Menge, aber ohne die lenkende Hand eines Dämons vermag er in dieser Welt nichts zu schaffen, das Bestand hat… das wirklich genug ist. Der Tempel war es nicht.«
    »Ist er tot?« fragte Nottr.
    Sie fanden elf tote Diener, und diesmal war auch das Scheinleben aus ihnen gewichen. Sie fanden den toten Priester. Auch in ihm war kein Funken Bewußtsein mehr. Nicht weit von ihm lagen die Trümmer von Weinfässern, die Reste von geplatzten Säcken und Beuteln, die Bruchstücke von Krügen. Von allem waren nur noch die verstreuten Klumpen von Salz zu gebrauchen.
    »Das waren die einzigen wirklichen Dinge seines Tempels…«, sagte Dilvoog.
    »Und der Dämon?« »Ich glaube nicht, daß es ein Dämon war«, erklärte Dilvoog kopfschüttelnd. »Die Beschwörung muß so stümperhaft gewesen sein wie alles andere. Ein Dämon, der einmal Fuß gefaßt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher