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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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abscheulich, dass man ihn so schlecht behandelt hatte.
    Ich spürte, dass ich es Moaradrid heimzahlen wollte. Er sollte ebenso leiden wie Alvantes, Panchetto, Salzleck, Estrada und so viele andere.
    Aber welche Hoffnung gab es dafür?
    Ich setzte wieder einen Fuß vor den anderen.
    Die Brücke bot kaum genug Platz, dass Alvantes und ich aneinander vorbeikommen konnten. Im letzten Moment drehte er den Kopf und sah mich an. Sein Gesicht war voller Schmerz, doch die Stimme des Hauptmanns klang völlig ruhig, als er sagte: »Lass ihn nicht gewinnen, Damasco.«
    »Ich glaube nicht, dass ich ihn aufhalten kann.«
    Alvantes warf mir einen letzten Blick zu und wankte weiter zum Ende der Brücke, wo Salzleck und Estrada auf ihn warteten. Salzleck würde sich um sie kümmern, besser als ich es konnte. Ob mit Stein oder ohne, er würde sie beschützen – daran musste ich glauben. Ich wagte es nicht, noch einmal in ihre Richtung zu sehen, denn ich fürchtete, dass sich meine Entschlossenheit dann einfach auflöste.
    Ich ging weiter und rechnete halb damit, dass Moaradrid den Säbel hob und mich köpfte, als ich nahe genug heran war. Es überraschte mich ein wenig, als er stattdessen nur die Hand ausstreckte und die Klinge an seiner Hüfte ließ.
    Ich konnte kämpfen …
    Ich konnte mich auf ihn stürzen und versuchen, ihn über den Rand der Brücke zu stürzen …
    Ich legte ihm den Stein in die Hand.
    In dieser einen Sekunde fühlte ich nur Erleichterung. Seit ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war ich immer nur auf der Flucht gewesen, und davon hatte ich die Nase voll. Moaradrid seufzte tief, und er schien für einen Moment nahezu überwältigt zu sein. Dann straffte er die Schultern, hob den Kopf und sah mich an.
    »Damit wären wir also fertig.«
    Ich musste fragen, obwohl ich wusste, dass ich besser den Mund halten sollte. »Ist dies die Stelle, an der du mich tötest?«
    Er lachte. »Ich dachte, du hättest begonnen zu verstehen. Nein, Dieb, ich töte dich nicht. So funktioniert Macht nicht.«
    Ich nickte, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, was er meinte. »Na schön.«
    Ich drehte mich um. Natürlich glaubte ich ihm nicht und erwartete die Säbelklinge zwischen den Schultern. Aber was konnte ich tun? Am liebsten wäre ich losgelaufen, doch etwas hielt mich davon ab. Es hatte einen sonderbaren Einklang zwischen uns gegeben, fast so etwas wie eine Übereinkunft. Auch wenn es nur in Moaradrids Wahn existierte, vielleicht blieb es von Bestand, wenn ich Ruhe bewahrte. Wenn ich lief, überlegte er es sich möglicherweise anders.
    Also ging ich mit langsamen Schritten.
    Im Schneckentempo überquerte ich die Brücke und wagte dabei kaum zu atmen.
    Schließlich erreichte ich den Felsvorsprung.
    Alvantes saß dort, und Estrada versuchte, die Stricke zu lösen, die ihm um den Oberkörper geschlungen waren. Er gab sich alle Mühe, nicht jedes Mal zusammenzuzucken, wenn sie seinen verletzten Arm berührte. Ich nahm an, dass er überleben würde, wenn sich die Wunde nicht entzündete. Salzleck stand ein wenig abseits, in der einen Hand noch immer den Amtsstab. Der Verlust des Riesen-Steins musste ihn bestürzt haben, aber er zeigte nichts davon.
    Unser Kampf für das Castoval und die Sicherheit der Riesen war vorbei. Wir hatten verloren, Moaradrid hatte gewonnen. Aber wenigstens lebten wir noch, und das war mehr, als ich erwartet hatte.
    Allerdings … Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben, und dieser Tag war noch nicht vorbei.
    »Riese.«
    Das Wort erklang hinter mir.
    »Riese, nimm deinen Freund und erwürge ihn.«
    Salzleck hob den Kopf und sah über mich hinweg zu Moaradrid, der noch immer auf der Brücke stand, in der einen Hand den Stein. Die andere zeigte auf mich. Salzlecks Augen wurden groß, und sein Mund stand offen, als hätte ihm gerade jemand eine Ohrfeige versetzt.
    »Ich weiß, dass du mich gehört hast. Gehorche deinem Oberhaupt.«
    Salzleck trat einen zögernden Schritt auf mich zu.
    »Gehorche deinem Oberhaupt.«
    Ich wollte zurückweichen, aber hinter mir gab es nur tiefe Leere.
    »Salzleck …«
    Gerade noch hing die Hand an seiner Seite, im nächsten Moment schloss sie sich um meinen Hals. Mir blieb nicht einmal genug Zeit für einen letzten Atemzug. Bunte Lichter tanzten vor meinen Augen, und in den Ohren hatte ich plötzlich ein lautes Rauschen, das fast Estradas Stimme übertönte, als sie sagte: »Salzleck, nein, das musst du nicht, du musst ihm nicht gehorchen, du musst nicht alles
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