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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten
Autoren: Linda Fairstein
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gehofft habe, dass sich Battaglia einsichtig zeigt«, sagte ich. »Die Geschworenen sind am Montag vereidigt worden, also werden sie bis Ende Februar Dienst tun. Was meinst du? Kannst du heute Abend ein paar der alten Zeuginnen erreichen?«
    Mercer hielt gewissenhaft mit allen Opfern Kontakt. In den letzten zehn Jahren, seit Vergewaltigungen mit Hilfe von Gentests aufgeklärt werden konnten, war sich sogar die Durchschnittsbevölkerung bewusst geworden, dass dank der mittlerweile existierenden landesweiten Datenbanken auch scheinbar erfolglose Ermittlungen jederzeit wieder aufgenommen werden konnten.
    Er zählte die Namen der Frauen auf, die er am Abend anrufen musste. Sie sollten auf keinen Fall aus den Medien erfahren, dass ihr Vergewaltiger plötzlich wieder zugeschlagen hatte. Sie alle waren von dem Ereignis traumatisiert und hatten es unterschiedlich gut bewältigt. Ich war der festen Überzeugung, dass ihnen eine erfolgreiche Anklage bei der weiteren Verarbeitung ihres Traumas helfen würde.
    »Ich würde gern mit Darra Goldswit anfangen. Sie ist stabil, sie hat immer gern das getan, was du für das Beste gehalten hast, und sie wohnt noch in der Region.«
    Ich blätterte in ihrer Akte, die Mercer und ich – wie auch die Akten der anderen Zeuginnen – regelmäßig auf den neuesten Stand brachten. Das Leben ging weiter, die Frauen zogen um, erwarben Schul-, Ausbildungs- oder Studienabschlüsse, wechselten den Arbeitsplatz, heirateten. »Brauchst du ihre Nummer? Ich lese mir bis morgen noch einmal die Polizeiberichte durch, um mich vorzubereiten.«
    Er notierte sich ihre Festnetz- und Handynummern.
    »Wenn du sie um ein Uhr herbringst, können wir um zwei Uhr vor die erste Nachmittagsjury treten.« In Manhattan tagten jeden Werktag mindestens sechs Grand Jurys, drei am Vormittag und drei am Nachmittag. »Nach ihrer Aussage kann ich dann die Arzt- und Laborbefunde einreichen.«
    »In Ordnung. Ich muss jetzt los, rüber ins Präsidium. Der Polizeipräsident will mich an seiner Seite haben, wenn er die Pressemeldung verliest.«
    Für den Polizeipräsidenten war es keine einfache Entscheidung, eine Verbrechensserie bekannt zu geben. Tat er es zu früh, verbreitete er unter Umständen unnötige Panik; war er zu spät dran, wurde er kritisiert, weil er die Bevölkerung nicht rechtzeitig über die Gefahr unterrichtet hatte. In dem Fall fiel die Entscheidung jedoch leicht, da die Vergewaltigungen vor vier Jahren in aller Munde gewesen waren und die zuverlässige DANN-Technik keinen Zweifel daran ließ, dass die versuchte Vergewaltigung von vorgestern Nacht auf das Konto desselben Täters ging.
    Die Reporter wollten sicherlich Einzelheiten wissen, und die wenigen, die wir bisher hatten, kannte keiner so gut wie Mercer Wallace. Außerdem waren Mercer und ich die Einzigen, die alle Opfer aus den früheren Fällen befragt hatten. Mercer würde zusammen mit dem ernst dreinblickenden Chief of Detectives hinter dem Polizeipräsidenten stehen und die Presse mit den Informationen versorgen, deren Veröffentlichung man zum jetzigen Zeitpunkt für angebracht hielt.
    »Ich halte in den Elf-Uhr-Nachrichten nach dir Ausschau. Ruf mich an, falls sich heute noch etwas Interessantes tut, in Ordnung?«
    »Bist du zu Hause?«
    »Nein, heute ist Damenabend. Aber ein sehr braver. Das Juristische Seminar der New York University veranstaltet eine Podiumsdiskussion, und Nan Toth schleppt vier von uns dorthin. Wir bekommen unsere Fortbildungspunkte, wenn wir die zwei Stunden absitzen, und zum Ausgleich schauen wir vorher beim Ehemaligen-Empfang vorbei. Nan hat uns genug Wein und Käsehäppchen versprochen, dass wir es aushalten, wenn uns die Podiumsteilnehmer die wichtigsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom letzten Jahr erklären.«
    Wir fuhren gemeinsam im Aufzug nach unten und nahmen den Ausgang zum Hogan Place, der kleinen Seitenstraße, in der sich beide Gebäude der Bezirksstaatsanwaltschaft befanden. Draußen schlug uns ein eisiger Wind entgegen.
    »Trefft ihr euch hier?«, fragte Mercer.
    Ich schüttelte den Kopf und wickelte mir den Schal um den Hals. »Als sie hörten, dass Battaglia um sechs in mein Büro kommt, wollten sie nicht auf mich warten. Ich nehme ein Taxi zum Washington Square.«
    Mercer winkte ein Taxi herbei, zupfte zum Abschied an meinem Schal und machte sich dann zu Fuß auf den kurzen Weg zum Polizeipräsidium.
    Das Juristische Seminar der NYU befand sich in der 4. Straße, an der Südseite des Washington
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