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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten
Autoren: Linda Fairstein
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ich davon aus, von Ihnen diesbezüglich noch einmal gründlich instruiert zu werden. Loci, Allelen und der ganze Wissenschaftsjargon. Damit ich entsprechende Fragen parieren kann, sodass es auch jeder versteht.«
    Der Bezirksstaatsanwalt lernte schnell. Eine halbe Stunde in seinem Büro, bevor die Journalisten anrückten, und er würde ihnen die Polymerase-Kettenreaktion und Short Tandem Repeats genauso gut erklären, wie es die besten Serologen während einer Gerichtsverhandlung im Zeugenstand taten.
    »Wird diese John-Doe-Sache auch in der Berufung standhalten?«, fragte er.
    Diese Vorgehensweise war nach wie vor umstritten: Sie war das erste Mal bei einem Pädophiliefall in Milwaukee verwendet und noch nie vor unserem Berufungsgericht verhandelt worden. »Bei unseren bisherigen Fällen hatte der Täter beide Male ein Geständnis abgelegt. Das heißt, in New York ist es noch nie so weit gekommen. Aber in Wisconsin, Kalifornien und Texas sind die Urteile vom Obersten Gericht bestätigt worden.«
    »Nur werden diese Richter weit weg sein, wenn mir hier die Eier ins Gesicht fliegen, falls es schief geht. Können Sie mir diese anderen Fälle zum Lesen geben?«
    Es hatte keinen Sinn, an Battaglia etwas vorbeischmuggeln zu wollen. »Ja, aber es gibt da einen kleinen Unterschied.«
    Er schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Die Sache hat Hand und Fuß, Paul. Wirklich. In diesen anderen Bundesstaaten gibt es kein Grand-Jury-System, also konnten die dortigen Staatsanwälte rein auf Grund der eidesstattlichen Erklärungen der Zeuginnen und Labortechniker einen Haftbefehl ausstellen. Die Gesetzeslage ist die gleiche, nur haben es die Staatsanwälte dort leichter. Stellen Sie sich einfach Folgendes vor, Boss: Sie können verkünden, dass Sie landesweit der erste Bezirksstaatsanwalt sind, der eine DANN-Anklage bei einem Geschworenengericht einbringt.«
    Battaglia sah sich gern in einer Vorreiterrolle. Ob bei der Einrichtung spezialisierter Ermittlungsabteilungen, bei der strafrechtlichen Verfolgung internationaler Banken, von denen alle anderen Regierungsbehörden die Finger ließen, oder bei der Zerschlagung von Drogenkartellen – es war sein Markenzeichen, der Erste zu sein.
    »Also hatte ich wieder mal eine gute Idee, stimmt’s?«, fragte Battaglia und lächelte Mercer an.
    Jetzt würde er dem zweiten Teil meiner Bitte wohlwollender gesonnen sein. »Ich brauche Geld, Paul. Das Gerichtsmedizinische Institut muss die alten Proben noch einmal analysieren, um die heute erforderliche Anzahl von Loci zu ermitteln. Einige Proben müssen wir eventuell an Privatlabors vergeben, was eine Stange Geld kostet. Und Mercer hat da ein paar interessante Ansätze, die auch nicht gerade billig –«
    »Was ist mit der guten alten Beinarbeit, Detective? Die Straßen abklappern, Fünfdollarscheine unter die Leute bringen, bis jemand den Täter verpfeift?«
    »Lincolns Konterfei? Mit diesem Kleingeld habe ich keinen Fall mehr gelöst, seit ich auf der Polizeiakademie war. Dieser Kerl ist mir beim ersten Mal durch die Lappen gegangen, Mr Battaglia, und das wird mir verdammt noch mal kein zweites Mal passieren. Er ist bereits gewalttätiger geworden.«
    »Ich dachte, dieses Mal sei er nicht zum Zug gekommen. Sie ist doch gar nicht vergewaltigt worden, oder?«
    »Nur weil sie sich mit aller Kraft gewehrt und dabei ihr Leben riskiert hat«, sagte ich. »Wahrscheinlich wollte er sie fesseln.«
    Dieser Täter war ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Nicht nur weil er in einer der gehobensten Wohngegenden von Manhattan zuschlug, die auch Seidenstrumpfviertel genannt wurde, seit reiche New Yorker dort vor hundert Jahren ihre Villen erbaut hatten. Darüber hinaus hielt er die Opfer mit vorgehaltenem Messer in Schach und fesselte sie mit einer Feinstrumpfhose. Der New York Post war es egal, dass die meisten Feinstrumpfhosen seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr aus Seide hergestellt wurden. Nylon, Lycra oder Spandex ergaben einfach keine so wohlklingenden Schlagzeilen.
    Nach der heutigen Pressekonferenz des Polizeipräsidenten würde man in der Gegend zusätzliche Polizisten auf die Straße schicken, obwohl das zuständige Revier personell ohnehin schon überlastet war, weil es die Konsulate, Diplomatenwohnsitze, Kunstmuseen und andere öffentliche Gebäude innerhalb der Reviergrenzen mit Sicherheitspersonal versorgen musste.
    »Sie haben dieses Mal nicht einmal eine Feinstrumpfhose, aber Sie sind bereit, wegen etwas Gesabbere auf einer
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