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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten
Autoren: Linda Fairstein
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sein.«
    Annika bewegte den Kopf hin und her, sodass die Monitore Alarm zu schlagen begannen, und murmelte etwas, das ich nicht verstand.
    »Ich weiß, dass Sie nach Hause wollen«, sagte Mercer. Er hielt ihre Hand fest in der seinen und strich ihr beruhigend über die Haare.
    Ich biss mir auf die Lippen. Sie musste sich schrecklich einsam und ängstlich fühlen. Allein in einem fremden Land, Opfer eines Gewaltverbrechens, bei dem sie fast ums Leben gekommen wäre, und nicht einmal in der Lage, aus eigener Kraft ihre Familie zu kontaktieren.
    »Erinnern Sie sich an die Staatsanwältin, von der ich Ihnen erzählt habe? Meine Freundin Alex? Ich habe sie mitgebracht, damit Sie sie kennen lernen.« Mercer trat von dem mit medizinischen Geräten umstellten Bett zurück, damit Annika mich sehen konnte. Als ich näher kam, ließ sie Mercers Hand los und deutete auf meine. »Alex und ich werden diesen Mann finden, Annika. Und Sie werden wieder zu Kräften kommen. Das ist alles, was Sie jetzt tun müssen.«
    Ich legte meine Hand auf ihre. »Mercer hat Recht. Sie benötigen so viel Ruhe wie möglich. Wir kommen Sie jeden Tag besuchen und bringen Ihnen alles, was Sie brauchen.«
    »Nach Hause?« Dieses Mal verstand ich sie klar und deutlich.
    »Natürlich können Sie bald nach Hause fliegen. Sobald Sie kräftig genug sind«, sagte ich.
    »Es ist Zeit für ihre Schmerzmittel«, sagte die Krankenschwester. »Es regt sie auf, wenn man ihre Familie erwähnt. Sie will nicht, dass ihre Eltern sich Sorgen machen und sie in diesem Zustand sehen. Sie waren von Anfang an dagegen, dass sie in New York studiert.«
    Wir warteten, bis Annika sich wieder beruhigt hatte und das Morphin, das die Schwester der Infusionslösung beifügte, seine Wirkung zeigte.
    Annika blinzelte, als wolle sie gegen den Schlaf ankämpfen und sichergehen, dass Mercer bei ihr blieb. Schließlich schloss sie die Augen. Ihr kleiner Kopf hinterließ kaum einen Abdruck in dem festen Kopfkissen und ihr Gesicht wirkte gegen die weißen Krankenhauslaken bleich und eingefallen. Das Blinken und Piepsen der schweren Geräte um sie herum würden ihren Schlummer nicht stören, und ich hoffte, dass auch keine Albträume den medikamentösen Schleier durchdringen würden.
    Als Mercer und ich wieder ins Auto stiegen, um in mein Büro zu fahren, war es noch nicht einmal fünf Uhr nachmittags, aber es war schon stockdunkel und der Wind blies jetzt noch eisiger durch die Straßen als zuvor.
    Mercers Handy vibrierte, als wir aus der Krankenhauszufahrt in die York Avenue einbogen. Er nahm es vom Gürtel und klappte es auf. »Klar, Bob. Ich bin auch mit einem vorläufigen Ergebnis zufrieden«, sagte er und sah mich an.
    Bob Thaler, der Chefserologe des Gerichtsmedizinischen Instituts, hatte innerhalb von vierundzwanzig Stunden eine erste Analyse des Beweismaterials vorgenommen. Der vorläufige Befund müsste erst durch weitere Tests bestätigt werden. Vor Gericht könnte er nicht bestehen, aber er gab uns schon mal einen ersten Anhaltspunkt, ob das Beweismaterial brauchbar war.
    »Ja, die vier Zigarettenstummel lagen oben auf den Stufen vor der Haustür. Haben Sie etwas gefunden?«
    Auf Thalers Antwort hin zwinkerte mir Mercer zu. Offenbar gute Nachrichten.
    Aber dann schwand Mercers Lächeln und sein Gesicht nahm einen ernsten, fast wütenden Ausdruck an. Er legte auf, warf das Handy auf den Sitz zwischen uns und beschleunigte, um auf den FDR Drive aufzufahren.
    »Wenn ich heute noch einmal das Wort ›Glück‹ höre! Ich hatte mir bezüglich des serologischen Befunds keine großen Hoffnungen gemacht, weil wir kein Sperma hatten. Aber auf einer der Zigarettenkippen ist Annikas Blut. Deshalb wollte Thaler wissen, wo wir sie gefunden haben. Scheinbar ist der Täter auf dem Weg nach draußen mit seinen blutverschmierten Schuhen draufgetreten.«
    »Aber Thaler hat doch noch etwas gesagt, das dir nicht gefallen hat, hab ich Recht?«
    »Sie konnten von dem Speichel an derselben Kippe ein DANN-Profil erstellen. Es ist unser Mann. Daran besteht nicht der geringste Zweifel.«
    Mercer stand nicht in dem Ruf, voreilige Schlüsse zu ziehen, noch dazu, wenn das Beweisstück nicht einmal unmittelbar vom Tatort stammte. Dazu war er zu erfahren.
    »Hast du nicht gerade gesagt, dass es vier Kippen –«
    »Ich rede nicht von einem fremden Profil, Alex. Wir kennen es nur zu gut. Drei der Zigaretten sind unbrauchbar. Aber die Kippe mit den Blut- und Speichelspuren hat jemand dort hingeworfen, von dem wir
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