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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2
Autoren: Carla Berling
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hochkommt.«
    »Wer weiß, was als nächstes hochkommt, wenn du nicht gehst. Im Krankenhaus habe ich zwar alles als Alkohol-Unfall darstellen können, aber wir wissen beide, dass mehr dahinter steckt.«
    »Es war keine Absicht, Maurice«, sagte Simone.
    »Nein, ich weiß. Geplant war das nicht. Es war ein Hilfeschrei.«
    Simone fing an zu weinen. Er stellte seine Tasse auf den Tisch und kam zu ihr und setzte sich auf die Sessellehne.
    Sie legte den Kopf an seine Schulter. Er sagte: »Du musst keine Angst haben. Alles wird gut. Du wirst es schaffen. Wir bringen das Durcheinander schon wieder in Ordnung.« Er strich ihr über den Kopf und fügte hinzu: »Wenn du willst.«
    Sie wollte.

    Die Gespräche beim Therapeuten halfen ihr wirklich. Simone lernte in kleinen Schritten, Wichtiges und Unwichtiges zu unterscheiden. Sie fürchtete die Termine bei Dr. Wenzel und freute sich zugleich darauf. Jedes Mal erfuhr sie etwas über sich selbst und über die Muster, nach denen sie seit vielen Jahren lebte. Nach wenigen Sitzungen nahm sie das erste große Ziel in Angriff: Sie hörte auf zu rauchen. Stolz verkündete sie Maurice: »Am Montag um zehn Uhr morgens werde ich die letzte Zigarette rauchen. Willst du dabei sein?« Dreißig Jahre lang hatte sie gequalmt, jetzt war Schluss.
    Simone sprach mit Maurice nicht über die Therapie und in der Therapie sprach sie nicht über Maurice. Sie fragte sich manchmal, warum sie ihn ausklammerte, während er real immer mehr Raum in ihrem Leben einnahm.
    Er kümmerte sich um sie. Er ging mit ihr spazieren, hörte ihr zu, nahm Anteil an ihren Gedanken. Er kochte für sie, holte sie ab und setzte sie im »Chez Maurice« an einen schön gedeckten Tisch und lud sie zu den neuesten Küchenkreationen ein. Er erzählte vom Alltag im Restaurant, und Simone hörte ihm gern zu. Sie hatten immer ein Thema. Sie gingen ins Museum und ins Kino, wanderten im Kottenforst, bummelten durch die Stadt, machten es sich abends in seiner Wohnung gemütlich, wenn Maurice nicht arbeiten musste. Simone liebte es, wenn sie ein Glas Wein tranken und sich dabei gegenseitig aus ihren Lieblingsbüchern vorlasen.
    Er lenkte sie von den Entzugserscheinungen ab; nach zwei Wochen dachte sie immer weniger an Zigaretten. Den körperlichen Entzug hatte sie hinter sich.
    Die emotionale Sucht bekämpfte sie strategisch und kalkuliert: Sie mied vertraute Situationen, in denen sie immer geraucht hatte, zum Beispiel am Computer. Der blieb immer öfter aus, denn an Männern hatte sie im Moment kein Interesse. Luka hatte ihr gereicht, sie wollte erst mal lernen, mit sich selbst zurechtzukommen.
    Simone änderte alle Handlungsabläufe, die für sie untrennbar mit dem Rauchen verbunden waren: Sie trank morgens Tee statt Kaffee und saß dabei nicht am Schreibtisch, sondern am Tisch. Wenn sie Schmacht bekam, trank sie ein Glas Wasser. Sie wusste, dass sie nur ein paar Minuten aushalten musste, dann war die Gier wieder vorbei. Die Abstände zwischen den »Schmachtanfällen« wurden täglich größer.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist aufzuhören, hätte ich es schon viel eher getan«, gestand sie Maurice. Der rauchte aus Solidarität nicht mehr in ihrem Beisein.
    Maurice hörte sich etliche Male die Geschichte vom Kroaten an, und nachdem sie alles wieder und wieder analysiert und gedeutet hatten, musste Simone über sich selber schmunzeln: »Der hatte einfach einen an der Waffel, der war nicht ganz echt. Ich glaube, ich war nicht mal in ihn verliebt, sondern ich war in die Idee verliebt, wieder ein normales Leben führen zu können«, sagte sie und schloss die »Akte Kroate«.
    Maurice war ihr Freund, ihr Vertrauter, aber nicht ihr Liebhaber. Er verbrachte seine Freizeit mit ihr. Er verlangte nie etwas dafür, keine Gegenleistung, baggerte sie nie an, machte ihr keinerlei Avancen. »Warum tust du das alles für mich?« fragte Simone. Er lächelte. »Weil ich dir das Leben gerettet habe. Die Indianer sagen: Wer ein Leben rettet, ist für dieses Leben verantwortlich.«
    Es war einer dieser ruhigen Abende, ein Dienstag oder ein Mittwoch. Sie hatten im »Chez Maurice« gegessen und sich danach an der Bar noch unterhalten.
    Simone sah Maurice an, als er mit dem Barmann sprach. Wie vertraut er mir ist. Wie leise er in mein Leben gekommen ist. Er ist wirklich wie ein Fels. Immer ruhig, immer da. Sie merkte nicht, dass sie ihm versonnen über den Unterarm streichelte. Sie gingen hinauf in die Wohnung, um Simones Bücher zu holen,
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