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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen
Autoren: Christine Béchar
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dass ich jede Menge zu tun habe und gerne hätte, dass du dich wenigstens um Aquila kümmerst. Gehe aber nicht allein zum Stall. Ich möchte erst sehen, wie die Pferde auf dich reagieren. Aquila wird dich akzeptieren, selbst wenn sie die Raubkatze in dir spürt, ich möchte aber nicht, dass du Panik bei den anderen verbreitest. Versuche jetzt zu schlafen.“
    „ Ich hatte den ganzen Tag Gelegenheit dazu, und mit allem, was ich jetzt erfahren habe, glaube ich kaum, dass ich ein Auge zutun kann. Es gibt noch so viele Fragen ohne Antworten.“
    „ Die wird es immer geben. Morgen werde ich versuchen, Dir ein paar zu beantworten. Jetzt muss ich aber wirklich gehen. Manuel macht sich immer noch Sorgen. Er weiß noch nicht, dass du wieder zu Hause bist. Gute Nacht, Lilly!“
    „ Gute Nacht Anna und vielen Dank!“
     
     
     

4
     

     

     

     

    Was für eine Nacht! Zuerst konnte ich keinen Schlaf finden, und als der mich endlich übermannt hatte, wurde ich von Werwölfen und Raubkatzen heimgesucht. Für gewöhnlich kann ich mich an meine Träume nicht erinnern, doch diesmal wachte ich dreimal schweißgebadet auf.
    Am Morgen sagte mir ein Blick auf meinen Wecker, dass es bereits zehn vorbei war. Ich flog ins Badezimmer. Der Spiegel bestätigte mir ohne Erbarmen meine schlimmsten Befürchtungen: Die Augen waren total geschwollen. Das kühle Wasser auf meinem Gesicht konnte auch nichts daran ändern. Mein Haarschopf war so wild, dass er mich an eine Löwenmähne erinnerte. Ich beeilte mich, es mit einem Gummi zu zähmen, um diesen Gedanken zu verdrängen. Als das Geschirrgeklapper zu mir hochdrang, fragte ich mich, ob mein Vater und Marie bereits gefrühstückt hatten. Hatten sie.
    Papa war allein in der Küche. Er hatte mich in Anbetracht meiner schlechten Nacht schlafen lassen wollen. Während er sprach, durchbohrte mich sein Blick, als ob er eine Antwort erwartete. Ich überging seine Andeutung, setzte mich vor meinen Teller und bedankte mich.
    Ein langes Schweigen folgte.
    „ Da du zu Hause bleibst“, meinte er schließlich, „habe ich beschlossen, mit Marie zum Zirkus zu gehen. Der Tiger ist ihr gestern wohl nicht nah genug gekommen“, er musste lächeln. „Vorher werden wir zum Vergnügungspark gehen. Ich schätze, wir werden dort eine Kleinigkeit essen. Also warte nicht auf uns, falls du Hunger hast. Ich war gestern nicht einkaufen“, sagte er weiter mit vorwurfsvollem Blick, „es kommt aber nicht infrage, dass wir heute essen gehen. Ich habe Lammkoteletts und Merguez zum Auftauen rausgenommen. Falls du Lust hast, kannst du ein Taboulé (Couscous-Salat aus Hirse und Minze) machen. Wir werden heute Abend grillen. Ich mache mich jetzt fertig.“ Er blieb kurz in der Tür stehen, drehte sich um, und fügte hinzu: „Natürlich erwarte ich von dir, dass du zu Hause bleibst. Du darfst aber Aquila reiten. Jemand muss ihr ja die Hufe vertreten. Anna hat zurzeit jede Menge zu tun. Sie ist deinetwegen gestern auch zu nichts gekommen. Davon abgesehen wird sie sich schon um die Stute kümmern müssen, wenn du bei Oma bist. Ich möchte ihre Hilfsbereitschaft nicht überstrapazieren.“
    Und weg war er.
    Puh! Glück gehabt! Ich hatte befürchtet, er würde mich mit Fragen durchlöchern. Hausarrest mit Freifahrtschein zum Reiten empfand ich nicht als Strafe. Was anderes hätte ich ohnehin nicht unternommen. So gesehen hatte ich keinen Grund zum Klagen. Anna war bestimmt in der Frühe gekommen, um ein Wörtchen mit Vater zu reden. Sobald das Frühstück vertilgt war, räumte ich die Küche auf und ging auf mein Zimmer. Als Erstes ließ ich meinen Computer hochfahren. Meine Finger brannten regelrecht, als ich Wörter wie
Therianthrop
und
Werwolf
auf die Tastatur tippte.
    Na ja … die Beute war mager. Ich fand nur wenige Informationen über die Therianthropie. Es ging vorwiegend um das alte Ägypten und ihre Götter, eigentlich Hybriden, die halb Mensch und halb Tier waren. Ich stieß zwar auch auf Menschen, die sich in Raubtiere verwandeln konnten, entweder in Afrika und Asien für Raubkatzen und in Ozeanien für Haie; aber selbstverständlich waren das nur Mythen. Was hatte ich denn erwartet?
    Über Werwölfe gab es schon mehr, da sie im fünfzehnten und im sechzehnten Jahrhundert in Europa sehr verbreitet waren – oder besser gesagt der Glaube daran. Hunderttausende wurden verfolgt und hingerichtet, zum Teil bei lebendigem Leib verbrannt. Vorkommnisse, wenn auch nur noch selten, existierten bis in das zwanzigste
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