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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Autoren: Andreas Schramek
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Zunge die weißen Fäden, die gewiss nichts anderes waren als Schlangengift, aus den Mundwinkeln. Dann begann er:
    «Es war unser größter Fehler, ihn zu beseitigen. Wir wollten mit seinem Tod Nimuria treffen, und das ist uns ja auch wahrlich gelungen. Dein Freund war so eingeschüchtert, dass er es zeit seines Lebens nicht wagte, jemals die Stadt des Ketzers zu betreten. Er wusste, warum! Er wusste es! Aber wir haben den Ketzer unterschätzt. Thutmosis war ein einfältiger Mann, doch er wäre der richtige Mann auf dem Thron Ägyptens gewesen. Aber du kannst unbesorgt sein: Er hat von seinem Sterben nichts bemerkt. Das Gift, das ihm die Hure gab, ließ ihn ruhig einschlafen, ganz ruhig bis in den Tod. Hätten wir damals nur den Ketzer umgebracht!»
    Längst hatten sich in seinen Mundwinkeln wieder klebrige, weiße Fäden gebildet, und ich war mir nicht sicher, ob es ihr Anblick war, der mich so anwiderte, oder die Worte Ramoses.
    «Das wäre euch später ja beinahe gelungen», sagte ich und wollte mich schon zum Gehen wenden, denn längst war ich der Gift speienden Schlange überdrüssig.
    «Ist es uns etwa nicht gelungen?», sagte er langsam, ganz langsam.
    Wie Blitze zuckten die Bilder jener Tage durch meinen Kopf: Ich erinnerte mich des Schiffes, das mir im Hafen von Achet-Aton begegnet war, als ich mit Tutanchamun zurückkehrte. Ich erinnerte mich, auf ihm die Gesichter von Priestern des Amun erkannt zu haben. Und ich erinnerte mich, dass sie die Letzten waren, die Echnaton lebend gesehen hatten. Aber hatte er sich nicht selbst vom Turm gestützt? Der Hundertjährige schien meine Gedanken zu erraten, denn von sich aus begann er:
    «Er hat sich den Turm hinabgestürzt, weil er, der die Wahrheit angeblich so sehr geliebt hat, die Wahrheit nicht ertrug», ereiferte er sich laut krächzend.
    «Von welcher Wahrheit sprichst du, Ramose?»
    «Du willst sie nicht kennen, die Wahrheit? Du, der immer meint, alles zu wissen, was in den Beiden Ländern geschieht, kennst die Wahrheit nicht?» Hüstelnd lachte er vor sich hin, und ich wünschte mir, er wäre an seinem Schleim erstickt.
    «In Waset hat man darüber gesprochen. In Men-nefer und sogar in Achmim. Und du willst nichts davon wissen!»
    Ich schäumte über vor Wut. Ich wollte seinen Anzüglichkeiten nicht länger zuhören, und doch musste ich wissen, was er vor mir verbarg.
    «Was hat man sich überall erzählt, das ich nicht wusste?», fragte ich ihn schließlich.
    Er ließ sich Zeit, ehe er mir antwortete, und dann sprach er ruhig und langsam, sodass jedes einzelne Wort wirkte wie ein Schwertstoß.
    «Dass Echnaton gar nicht der Sohn Nimurias war, sondern der Auswurf einer sündhaften Nacht, deren es manche gegeben haben soll zwischen dir und deiner Schwester Teje.»
    Es war nicht ein Priester, der da vor mir hockte, klein, unscheinbar und hundertjährig. Es war das ewig Böse schlechthin! Meine Hände zitterten. Alles Blut in meinem Leib schoss in meinen Kopf und drohte ihn auseinander zu sprengen. DieserUnschlitt der Menschheit, dieses elende, dreckige Geschöpf der Unterwelt hatte die schlimmste Beleidigung ausgesprochen, die je ersonnen worden war, und mit dieser schändlichen Lüge hatten sie Echnaton in den Tod gehetzt! Den edelmütigsten Menschen, der mir je begegnet war!
    Ich konnte diesen Elenden nicht zur Rechenschaft ziehen. Ich wollte es gar nicht. Der Hass und die Wut, die sich in mir aufbäumten, ließen das gar nicht erst zu. Er hockte noch immer da und starrte schweigend zu Boden, wohl bereit, sein Schicksal schnell und widerspruchslos hinzunehmen. Es gab keine Rechtfertigung. Es gab nur den Tod. Sofort.
    Ich erhob meine Rechte, und mit der ganzen Kraft, die mein Körper noch aufzubringen vermochte, sauste der schwere Krummstab auf den Schädel des Ungeheuers nieder, um laut krachend dessen Knochen zu zerschmettern und tief in das Hirn einzudringen, das sich diese Gemeinheit ausgedacht hatte, damit das Leben dieses Hundes ein für alle Mal ausgelöscht werde. Sein Blut spritzte mir entgegen und besudelte mein Gewand. Ramose hatte keinen Laut mehr von sich gegeben. Er lehnte blutüberströmt an der Säule, und mein Krummstab steckte noch immer tief in seinem kahlen Schädel. Ich nahm das Ende meines Stabes fester in die Hand und stieß mit dem Fuß gegen die Schulter des Alten. Mit einem Ekel erregenden Glucksen löste sich der Goldstab aus dessen Schädel, und lautlos kippte Ramose zur Seite. Blut klebte an meinem Krummstab, und ich fuhr mit ihm
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