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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Autoren: Andreas Schramek
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ruhte, damit man sie erkannte. Andächtig sah ich in das wundervolle Antlitz der Göttin, und ich brauchte nicht lange, um darin das Gesicht von Meritre wiederzuerkennen. Unmittelbar vor dem Schrein stand der goldene Kopf einer Hathor-Kuh mit geschwungenen, schwarzen Hörnern, und davor lag auf einer Trage ein schwarzer Anubis, der den Zugang zum Kanopenschrein bewachte und von dessen mit einem Tuch umhüllten Körper nur der Kopf zu sehen war. Sonst standen in diesem Raum zahlreiche Kästen, welche die unterschiedlichsten Götterfiguren und Statuen Pharaos bargen, und Truhen mit dem Schmuck Pharaos, darunter die Träne des Re. Hier lagen der zerlegte Prunkwagen Pharaos und all die kleinen Nachbauten seiner Schiffe. Und hier stand das herrliche Senetspiel, das ich ihm geschenkt hatte.
    Nur die Sargkammer war bemalt. Mehr hatten die Arbeiter in der Kürze der Zeit nicht mehr zuwege gebracht. Die Bilder waren keine guten Arbeiten. Nein, sie waren wahrhaft schlecht. Einfallslos und schlecht gezeichnet waren sie!
    An der Ostseite war die Überführung des Leichnams dargestellt. Zwölf hohe Beamte in langen, weißen Gewändern zogen den Schlitten mit dem Schrein des mumifizierten Königs.
    An der Längsseite der Kammer sah man ganz links Osiris in Umarmung mit Tutanchamun, hinter welchem sein eigenes Ka, sein zweites Ich, stand. In der Mitte des Bildes wurde er von der Göttin Nut empfangen. Rechts erkannte ich Tutanchamun in Gestalt des Osiris, ihm gegenüber stand ich und vollzog an ihm das Ritual der Mundöffnung. Ich war dargestellt mit dem Chepresch, der blauen Kriegskrone, mit einem weißen Schurz und einem Leopardenfell über der Schulter, das mich als den ersten aller Priester auswies. Zwischen unseren Köpfen waren unser beider volle Thronnamen aufgezeichnet, damit für alle Ewigkeit festgehalten wurde, dass ich bereits Pharao war, als ich an Tutanchamun das heilige Ritual vollzog.
    An der Westwand war ein Auszug aus dem Amduat, demheiligen Buch über das, was sich in der Unterwelt befindet, festgehalten. Zwölf hockende Paviane stellten die Geister der ersten Stunden der Nacht dar. Über dem linken Register schwebte die Nachtbarke mit dem Chepri, dem heiligen Käfer. Auf der Südwand sah man Tutanchamun, wie er von Hathor, der Schutzgöttin des Totentals, empfangen wurde. Hinter ihm stand der schakalköpfige Anubis und legte ihm in einer Geste der Wertschätzung eine Hand auf die Schulter.
    Nachdem endlich alle Schreine um den Sarkophag herum aufgebaut waren und bevor wir das Grab verließen, legte ich mein Geschenk nieder. Es war ein kleiner, vergoldeter Holzsarg, auf dessen Deckel Tutanchamun abgebildet war. Isis und Nephthys in Gestalt von zwei Geiern breiteten schützend ihre Schwingen über den Körper Pharaos. Die Worte auf ihm waren eine Anrufung Pharaos an die Göttin Nut: «O meine Mutter Nut! Komme über mich, gib mir einen Platz unter den unvergänglichen Sternen, die in dir sind, damit ich nicht wieder sterben muss.»
    Im Inneren befand sich ein weiterer kleiner Holzsarg, der eine rotbraune Haarlocke meiner Schwester Teje, die den Jungen so sehr geliebt hatte, barg. Außerdem befand sich darin eine kleine goldene Figur, die Tutanchamun als Kind zeigte, hockend und mit Geißel und Krummstab in der Rechten, während er die Linke über seinem Knie hielt. Es war ein Anhänger, den er mir geschenkt hatte, nachdem ich ihm die Träne des Re überreicht hatte.
    «Du hättest ein besseres Begräbnis verdient», flüsterte ich und ließ meine Hand noch einmal über die Wand des äußersten Schreins gleiten.
    «Wer immer du warst, Tutanchamun, ich habe dich geliebt wie meinen eigenen Sohn. In der anderen Welt werde auch ich vielleicht die Wahrheit erfahren.»
    Dann ließ ich den Zugang zur Grabkammer zumauern und versiegeln. Zuletzt wurde die Öffnung zwischen der ersten Kammer und dem Korridor geschlossen und ebenfalls versiegelt.Ich stieg die sechzehn Stufen der Treppe empor und befahl, dass man sie zuschüttete.
    Vor dem Grab nahmen wir ein bescheidenes Totenmahl ein. Wie es der Brauch war, wurden die Reste in einer Grube verscharrt.
    Maja erhielt von mir den Befehl, den Zugang zum Grab mit Steinen und Schutt zuzudecken, um ihn vollkommen unkenntlich zu machen. Danach ließ ich mir alle Karten aushändigen, in welchen dieses angefangene und nie vollendete Grab eingezeichnet war, und verbrannte sie. Kein Mensch sollte je erfahren, wo Tutanchamun begraben lag.
     
    Haremhab war zwar wütend auf mich, aber wie
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