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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke
Autoren: Sarah Lark
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widerwillig ab und neigte als Reaktion auf den gesellschaftlichen Abstieg ein wenig zum Protzen. So fielen die Empfänge und Gartenfeste der Greenwoods immer ein wenig üppiger aus als vergleichbare Ereignisse bei anderen Honoratioren der Londoner Gesellschaft. Die anderen Damen genossen das, zerrissen sich aber nichtsdestotrotz die Mäuler darüber.
    Auch heute wieder, zu dem schlichten Abendessen mit der Familie, hatte Lucinda sich ein wenig zu festlich herausgeputzt. Sie trug ein elegantes Kleid aus fliederfarbener Seide, und mit ihrer Frisur musste ihre Zofe stundenlang beschäftigt gewesen sein. Lucinda plauderte über ein Treffen des Damenkomitees für das örtliche Waisenhaus, an dem sie an diesem Nachmittag teilgenommen hatte, doch viel Resonanz erhielt sie nicht; weder Helen noch Mr. Greenwood waren sonderlich interessiert.
    »Und, was habt ihr mit diesem schönen Tag angefangen?«, wandte Mrs. Greenwood sich schließlich an ihre Familie. »Dich brauche ich wohl gar nicht erst zu fragen, Robert, vermutlich waren es wieder nur Geschäfte, Geschäfte, Geschäfte.« Sie bedachte ihren Mann mit einem Blick, der wohl liebevoll nachsichtig wirken sollte.
    Mrs. Greenwood war der Meinung, dass ihr und ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen seitens ihres Gatten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nun verzog er unwillig das Gesicht. Wahrscheinlich lag Robert eine unfreundliche Antwort auf der Zunge, denn seine Geschäfte ernährten nicht nur die Familie, sondern machten auch Lucindas Mitarbeit in den diversen Damenkomitees erst möglich. Helen bezweifelte jedenfalls, dass Mrs. Greenwoods überragende organisatorische Fähigkeiten für ihre Wahl gesorgt hatten – eher die Spendenfreudigkeit ihres Gatten.
    »Ich hatte ein sehr interessantes Gespräch mit einem Wollproduzenten aus Neuseeland, und ...«, begann Robert mit Blick auf seinen ältesten Sohn, doch Lucinda sprach einfach weiter, wobei sie diesmal vor allem William mit ihrem nachsichtigen Lächeln bedachte.
    »Und ihr, meine lieben Söhne? Sicher habt ihr im Garten gespielt, nicht wahr? Hast du George und Miss Davenport wieder beim Krocket geschlagen, William, mein Liebling?«
    Helen starrte angestrengt auf ihren Teller, bemerkte aber aus dem Augenwinkel, wie George in seiner typischen Art gen Himmel zwinkerte, als riefe er einen verständnisvollen Engel um Beistand an. Tatsächlich war es William nur ein einziges Mal gelungen, mehr Punkte zu machen als sein älterer Bruder, und damals war George schwer erkältet gewesen. Gewöhnlich brachte sogar Helen den Ball geschickter durch die Tore als William, obwohl sie sich meist unbeholfener anstellte, als sie war, um den Kleinen gewinnen zu lassen. Mrs. Greenwood wusste das zu schätzen, während Mr. Greenwood sie tadelte, wenn er die Täuschung bemerkte.
    »Der Junge muss sich daran gewöhnen, dass das Leben hart mit Versagern umspringt!«, sagte er streng. »Er muss verlieren lernen, nur dann wird er letztendlich siegen!«
    Helen bezweifelte, dass William jemals siegen würde, auf welchem Gebiet auch immer, doch ihr flüchtiger Anflug von Mitleid mit dem unglücklichen Kind wurde gleich von dessen nächster Bemerkung zunichte gemacht.
    »Ach, Mummy, Miss Davenport hat uns gar nicht spielen lassen!«, sagte William mit kummervoller Miene. »Wir haben den ganzen Tag im Haus gesessen und gelernt, gelernt, gelernt.«
    Natürlich warf Mrs. Greenwood Helen sofort einen missbilligenden Blick zu. »Ist das wahr, Miss Davenport? Sie wissen doch, dass die Kinder frische Luft brauchen! In diesem Alter können sie noch nicht den ganzen Tag über den Büchern sitzen!«
    In Helen kochte es, doch sie durfte William nicht der Lüge bezichtigen. Zu ihrer Erleichterung mischte George sich ein.
    »Das stimmt doch gar nicht. William hatte wie jeden Tag seinen Spaziergang nach dem Mittagessen. Aber da hat es gerade ein bisschen geregnet, und er mochte nicht rausgehen. Die Nanny hat ihn zwar einmal um den Park gezerrt, aber zum Krocketspielen sind wir vor dem Unterricht nicht mehr gekommen.«
    »Dafür hat William gemalt«, versuchte Helen abzulenken. Vielleicht kam Mrs. Greenwood ja auf seine museumsreife Zeichnung zu sprechen und vergaß den Ausgang. Doch die Rechnung ging leider nicht auf.
    »Trotzdem, Miss Davenport: Wenn das Wetter mittags nicht mitspielt, müssen Sie eben nachmittags eine Pause einlegen. In den Kreisen, in denen William sich einmal bewegen wird, ist Körperertüchtigung fast ebenso wichtig wie geistige
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