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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke
Autoren: Sarah Lark
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Damen weniger abenteuerlustig als die Herren der Schöpfung. Entweder sie gehen mit ihren Ehemännern oder gar nicht. Ein typischer Charakterzug des schwachen Geschlechts.«
    »Eben!«, stimmte Mrs. Greenwood ihrem Gatten zu, während Helen sich auf die Zunge biss. Sie war gar nicht so sehr von der männlichen Überlegenheit überzeugt. Da brauchte sie nur William anzuschauen oder an das sich endlos hinschleppende Studium ihrer Brüder zu denken. Gut versteckt in ihrem Zimmer verwahrte Helen sogar ein Buch der Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft, aber das musste sie unbedingt für sich behalten – Mrs. Greenwood hätte sie sofort entlassen. »Es ist wider die weibliche Natur, sich ohne männlichen Schutz auf schmutzige Auswandererschiffe zu begeben, in feindlichen Landen Quartier zu nehmen und womöglich noch Tätigkeiten auszuüben, die Gott den Männern vorbehalten hat. Und christliche Frauen nach Übersee zu schicken, um sie dort zu verheiraten, grenzt ja wohl an Mädchenhandel!«
    »Nun, man schickt die Frauen ja nicht unvorbereitet«, warf Helen ein. »Die Anzeige sieht gewiss vorherige briefliche Kontakte vor. Und es war ausdrücklich von wohl beleumundeten, gut situierten Herren die Rede.«
    »Ich dachte, Sie hätten die Anzeige gar nicht bemerkt«, spottete Mr. Greenwood, doch sein nachsichtiges Lächeln nahm den Worten die Schärfe.
    Helen errötete erneut. »Ich ... äh, könnte sein, dass ich sie kurz überflogen habe ...«
    George grinste.
    Mrs. Greenwood schien den kurzen Wortwechsel gar nicht mitbekommen zu haben. Sie war längst bei einem anderen Aspekt der Neuseelandproblematik.
    »Viel ärger als der so genannte Frauenmangel in den Kolonien erscheint mir das Dienstbotenproblem«, erklärte sie. »Wir haben heute im Waisenhauskomitee ausführlich darüber debattiert. Offensichtlich finden die besseren Familien in ... wie heißt dieser Ort noch? Christchurch? Jedenfalls, sie finden dort kein ordentliches Personal. Vor allem Dienstmädchen sind rar.«
    »Was durchaus als Begleiterscheinung des allgemeinen Frauenmangels zu deuten sein kann«, bemerkte Mr. Greenwood. Helen verkniff sich ein Lächeln.
    »Auf jeden Fall wird unser Komitee ein paar unserer Waisenmädchen hinüberschicken«, fuhr Lucinda fort. »Wir haben vier oder fünf brave kleine Dinger um die zwölf Jahre, die alt genug sind, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Hierzulande finden wir kaum eine Anstellung für sie. Die Leute hier nehmen lieber etwas ältere Mädchen. Aber da drüben sollte man sich die Finger danach schlecken ...«
    » Das hat mir jetzt aber deutlich mehr den Anschein von Mädchenhandel als die Ehevermittlung«, wandte ihr Gatte ein.
    Lucinda warf ihm einen giftigen Blick zu.
    »Wir handeln nur im Interesse der Mädchen!«, behauptete sie und faltete geziert ihre Serviette zusammen.
    Helen hatte da so ihre Zweifel. Wahrscheinlich hatte man sich kaum die Mühe gemacht, diesen Kindern auch nur ein Mindestmaß jener Fertigkeiten zu vermitteln, die man von Dienstmädchen in guten Häusern erwartete. Insofern konnte man die armen kleinen Dinger allenfalls als Küchenhilfen gebrauchen, und da bevorzugten die Köchinnen natürlich kräftige Bauernmädchen statt schlecht ernährte Zwölfjährige aus dem Armenhaus.
    »In Christchurch haben die Mädchen Aussichten auf eine gute Anstellung. Und wir schicken sie natürlich nur in wohl beleumundete Familien ...«
    »Natürlich«, bemerkte Robert spöttisch. »Ich bin sicher, ihr werdet mit den künftigen Dienstherren der Mädchen eine mindestens ebenso umfangreiche Korrespondenz führen wie die heiratswilligen jungen Damen mit ihren künftigen Gatten.«
    Mrs. Greenwood runzelte indigniert die Stirn. »Du nimmst mich nicht erst, Robert!«, tadelte sie ihren Mann.
    »Selbstverständlich nehme ich dich ernst, meine Liebe.« Mr. Greenwood lächelte. »Wie könnte ich dem ehrenwerten Waisenhauskomitee etwas anderes unterstellen als die besten und lautersten Absichten. Außerdem werdet ihr eure kleinen Zöglinge ja wohl nicht ohne jede Aufsicht nach Übersee schicken. Vielleicht findet sich unter den heiratswilligen jungen Damen eine vertrauenswürdige Person, die sich für einen kleinen Zuschuss des Komitees an den Kosten für die Überfahrt um die Mädchen kümmert ...«
    Mrs. Greenwood äußerte sich nicht dazu, und Helen schaute wieder krampfhaft auf ihren Teller. Sie hatte den schmackhaften Braten kaum angerührt, mit dessen Zubereitung die Köchin vermutlich den halben
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