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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke
Autoren: Sarah Lark
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übervorteilt hat.« Sie atmete tief durch. »Und nach gründlicher Prüfung der Unterlagen muss ich ihm Recht geben. Gerald Warden hat euch mit einem Taschengeld abgespeist. Ihr habt nur zwei Drittel der Summe bekommen, die euch mindestens zustand. Der Gouverneur hat nun bestimmt, dass wir diese Summe nachzahlen müssen oder euch das entsprechende Land zurückgeben. Letzteres erscheint mir gerechter, denn das Land wird heute teurer gehandelt.«
    Tonga musterte sie mit anzüglichem Grinsen. »Wir fühlen uns geehrt, Miss Gwyn!«, bemerkte er und deutete eine Verbeugung an. »Sie wollen also wirklich Ihr kostbares Kiward Station mit uns teilen?«
    Gwyneira hätte diesen arroganten jungen Schnösel gern in seine Schranken verwiesen, aber dafür war jetzt nicht die Zeit. Also beherrschte sie sich und sprach so gemessen weiter, wie sie begonnen hatte. »Ich möchte euch als Ausgleich die Farm anbieten, die man als O’Keefe Station kennt. Ich weiß, dass ihr oft dorthin wandert, und das Hochland ist reicher an Jagd-und Fischgründen als Kiward Station. Dafür eignet es sich weniger für die Schafzucht. Uns wäre also allen gedient. Flächenmäßig ist O’Keefe Station halb so groß wie Kiward Station. Ihr erhaltet also mehr Land, als der Gouverneur euch zugesprochen hat.«
    Gwyneira hatte diesen Plan gefasst, kaum dass sie von der Entscheidung des Gouverneurs gehört hatte. Helen wollte verkaufen. Sie würde in Queenstown bleiben, und Gwyneira konnte die Farm in mehreren Raten an sie abzahlen. Die Ausgleichszahlungen würden Kiward Station also nicht mit einem Schlag belasten, und sicher war es auch im Sinne des verstorbenen Howard O’Keefe, wenn sein Land an die Maoris statt an die verhassten Wardens fiel.
    Die Männer hinter Tonga raunten miteinander. Offensichtlich traf der Vorschlag bei ihnen auf großes Interesse. Tonga jedoch schüttelte den Kopf.
    »Welche Gnade, Miss Gwyn! Ein Stück minderwertiges Land, eine verfallende Farm – und schon sind die dummen Maoris glücklich, ja?« Er lachte. »Nein, das habe ich mir ein bisschen anders vorgestellt.«
    Gwyneira seufzte. »Was willst du?«, fragte sie.
    »Was ich will ... was ich eigentlich wollte ... war das Land, auf dem wir stehen. Von der Straße nach Haldon bis zu den tanzenden Steinen ...« So nannten die Maoris den Steinkreis auf dem Weg zwischen der Farm und dem Hochland.
    Gwyneira runzelte die Stirn. »Aber auf dem Land steht unser Haus! Das ist unmöglich!«
    Tonga grinste. »Ich sag ja, dass ich’s wollte ... aber wir schulden Ihnen einen gewissen Blutzoll, Miss Gwyn. Ihr Sohn starb durch meine Schuld, wenn auch nicht durch meine Hand. Ich habe es nicht gewollt, Miss Gwyn. Ich wollte ihn bluten sehen, nicht sterben. Ich wollte, dass er zusieht, wie ich sein Haus niederreiße – oder gar darin Wohnung nehme! Mit Marama, meiner Frau. Das hätte ihn mehr geschmerzt als jeder Speer. Aber sei’s drum. Ich habe mich entschlossen, Sie zu schonen. Behalten Sie Ihr Haus, Miss Gwyn. Aber ich will das gesamte Land von den tanzenden Steinen bis zu dem Bach, der Kiward Station von O’Keefe Station trennt.« Er blickte sie fordernd an.
    Gwyneira hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie wandte den Blick von Tonga und richtete ihn auf James. In ihren Augen spiegelten sich Verwirrung und Verzweiflung.
    »Das sind unsere besten Weiden«, sagte sie. »Dazu gehören zwei der drei Scherschuppen! Fast alles ist eingezäunt!«
    James legte den Arm um sie und blickte Tonga fest an.
    »Vielleicht solltet ihr zwei noch einmal darüber nachdenken ...«, sagte er ruhig.
    Gwyneira richtete sich auf. Ihre Augen funkelten.
    »Wenn wir ihnen geben, was sie verlangen«, stieß sie zornig hervor, »können wir ihnen Kiward Station auch gleich ganz überlassen! Vielleicht sollten wir das sogar tun! Es wird ja doch keinen Erben mehr geben. Und du und ich, James, wir können uns auch auf Helens Farm einrichten ...«
    Gwyneira holte tief Atem und ließ den Blick über das Land schweifen, das sie zwanzig Jahre lang gehütet und gepflegt hatte.
    »Alles wird auseinander fallen«, sagte sie wie zu sich selbst. »Die Zuchtplanung, die Schaffarm, jetzt auch die Longhorns ... und es steckt so viel Arbeit darin. Wir hatten die besten Tiere in Canterbury, wenn nicht auf der ganzen Insel. Verdammt, Gerald Warden hatte seine Fehler, aber das hat er nicht verdient!« Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, um Gerald weinen
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