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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke
Autoren: Sarah Lark
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Nun war es nicht zu leugnen, dass Gwyneiras Französischkenntnisse zu wünschen übrig ließen. Und das galt auch für ihre hausfraulichen Fähigkeiten. Gwyneiras Handarbeiten sahen nie so aus, als könnte man sein Heim damit schmücken – tatsächlich ließ der Pfarrer sie vor den Kirchenbasaren sogar unauffällig verschwinden, statt sie zum Verkauf anzubieten. Für die Planung großer Festessen und ausführliche Besprechungen mit der Köchin zu Fragen wie »Lachs oder Zander?« hatte das Mädchen ebenfalls wenig Sinn. Gwyneira aß, was auf den Tisch kam; welche Gabeln und Löffel sie zu welchem Gericht benutzen sollte, wusste sie zwar, hielt das Ganze aber im Grunde für Unsinn. Wozu die Tafel stundenlang schmücken, wenn dann in wenigen Minuten alles aufgegessen war? Und dann die Sache mit den Blumenarrangements! Seit einigen Monaten gehörte der Blumenschmuck im Salon und im Esszimmer zu Gwyneiras Obliegenheiten. Aber leider genügte ihr Geschmack meist nicht den Ansprüchen – etwa, wenn sie Feldblumen pflückte und auf die Vasen verteilte, wie es ihr gefiel. Sie fand das hübsch, doch ihre Mutter wäre bei dem Anblick fast in Ohnmacht gefallen. Erst recht, als sie auf den Gräsern auch noch eine versehentlich mit eingeschleppte Spinne entdeckte. Seitdem schnitt Gwyneira die Blumen unter Aufsicht des Gärtners im Rosengarten von Silkham Manor und arrangierte sie mit Hilfe von Madame. Um diese lästige Pflicht war das Mädchen heute allerdings herumgekommen. Die Silkhams hatten nicht nur Gerald Warden zu Gast, sondern auch Gwyneiras älteste Schwester Diana und deren Ehemann. Diana liebte Blumen und beschäftigte sich seit ihrer Heirat fast ausschließlich mit dem Anlegen des ausgefallensten und gepflegtesten Rosengartens in ganz England. Heute hatte sie eine Auswahl der schönsten Blüten für ihre Mutter mitgebracht und auch gleich geschickt in Vasen und auf Körbe verteilt. Gwyneira seufzte. So gut würde ihr das nie gelingen. Falls Männer sich bei der Auswahl ihrer Gattin wirklich davon leiten ließen, müsste sie wohl als alte Jungfer sterben. Gwyneira hatte allerdings das Gefühl, als wäre der Blumenschmuck sowohl ihrem Vater als auch Dianas Ehemann Jeffrey herzlich egal. Auch Gwyneiras Stickereien hatte bislang noch kein männliches Wesen – außer dem wenig begeisterten Pfarrer – einen Blick gegönnt. Warum also konnte sie die jungen Herren nicht lieber mit ihren wahren Begabungen beeindrucken? Auf der Jagd zum Beispiel würde sie Bewunderung erregen: Gwyneira verfolgte den Fuchs meist schneller und erfolgreicher als die restliche Jagdgesellschaft. Das aber schien die Männer ebenso wenig für sie einzunehmen wie ihr geschickter Umgang mit den Hütehunden. Zwar äußerten die Herren sich anerkennend, doch ihr Blick war oft ein wenig missbilligend, und beim abendlichen Ball tanzten sie mit anderen Mädchen. Aber das konnte ebenso gut mit Gwyneiras dürftiger Mitgift zusammenhängen. Das Mädchen machte sich da keine Illusionen – als letzte von drei Töchtern hatte sie nicht viel zu erwarten. Zumal auch ihr Bruder dem Vater auf der Tasche lag. John Henry »studierte« in London. Gwyneira fragte sich nur, welches Fach. Solange er noch auf Silkham Manor lebte, hatte er den Wissenschaften nicht mehr abgewinnen können als seine jüngere Schwester, und die Rechnungen, die er aus London schickte, waren viel zu hoch, als dass es sich allein um die Anschaffung von Büchern handeln konnte. Ihr Vater bezahlte stets widerspruchslos und murmelte höchstens etwas von »Hörner abstoßen«, doch Gwyneira war sich klar darüber, dass das viele Geld von ihrer Mitgift abging.
    Trotz dieser Widrigkeiten machte sie sich keine allzu großen Sorgen um ihre Zukunft. Vorerst ging es ihr gut, und irgendwann würde ihre rührige Mutter auch einen Gatten für sie auftreiben. Schon jetzt beschränkten die Abendeinladungen ihrer Eltern sich fast ausschließlich auf befreundete Ehepaare, die rein zufällig Söhne im passenden Alter hatten. Manchmal brachten sie die jungen Männer gleich mit, häufiger erschienen allerdings die Eltern allein, und noch öfter kamen nur die Mütter zum Tee. Das hasste Gwyneira besonders, denn dabei wurden alle Fähigkeiten abgeprüft, die Mädchen angeblich dringend brauchten, um einem hochherrschaftlichen Haushalt vorzustehen. Man erwartete, dass Gwyneira kunstvoll den Tee servierte – wobei sie einmal leider Lady Bronsworth verbrüht hatte. Sie war erschrocken, als ihre Mutter ausgerechnet
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