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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman
Autoren: Carla Federico
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betroffen, sondern auch erleichtert. Alles, was sie sagte, tat weh – aber er wusste, dass sie recht hatte, und er war dankbar, dass sie es aussprach. Er selbst hätte diesen Entschluss nicht so entschieden fällen können.
    »Was willst du tun? Wo wirst du leben?«, fragte er nach einer Weile.
    »Ich werde Jules Schule übernehmen. Es ist ihr Vermächtnis – und ich werde es mit Annelies Hilfe wahren. Anfangs wird es nicht leicht werden. Man wird mich anstarren wie eine Aussätzige. Aber auch Jule wurde oft verachtet – und ist doch entschlossen ihren Weg gegangen. Ich hoffe, ich bin nur halb so stark wie sie.«
    Sie wandte sich endgültig ab, dann ging sie tiefer in den Wald hinein. Poldi folgte ihr nicht, sondern sah ihr traurig nach, bis sie im grünen Dickicht verschwunden war.

    Eine Weile stand Elisa steif vor Gretas und Cornelius’ zerstörtem Haus. Das Dach war völlig abgebrannt und in sich zusammengebrochen, die Grundmauern jedoch nur verkohlt. Endlich zwang sie sich, trotz des beißenden Gestanks, in den Trümmern nach etwas zu stöbern, was man noch gebrauchen konnte – Geschirr oder Werkzeug. Sie benutzte einen großen Holzstab, um in der Asche zu wühlen, und war schon nach kurzer Zeit schwarz vor Ruß.
    Für Emilia, schwor sie sich durchzuhalten, ich tu’s für Emilia.
    Das Mädchen war gestern Abend völlig verzweifelt gewesen. Nicht nur der Tod der Mutter setzte ihr zu, sondern auch die verspätete Einsicht, dass sie keinerlei Besitz mehr hatte, nur das, was sie am eigenen Leibe trug. Elisa hatte ihr Kleider gegeben, doch das hatte ihr nicht genügt. Sie hatte verkündet, in den Trümmern des Hauses nach Überbleibseln suchen zu wollen, doch sie hatte so verzagt dabei gewirkt, dass Elisa schließlich beschlossen hatte, es an ihrer Stelle zu tun.
    Nach einer Weile fand sie unter einem schwarzen Haufen Scherben einen einzigen heilen Teller. Sie hob ihn hoch und starrte ihn an. Dieses Haus war in ihren Gedanken stets das von Greta gewesen; nun grübelte sie darüber nach, dass auch Cornelius viele Jahre seines Lebens hier verbracht hatte und dass nicht nur Emilia fast sämtliche Andenken verloren hatte, sondern auch er.
    Plötzlich konnte sie nicht weitermachen. Den Teller an sich gepresst, stiefelte sie durch die mancherorts noch glosenden Trümmer und sackte ein gutes Stück von der Ruine entfernt auf der Wiese nieder. Bis jetzt war es ihr gelungen, sämtliche Gedanken an Cornelius zu vermeiden, doch nun wurde ihre Sehnsucht nach ihm übermächtig. Als sie sich umblickte, litt sie nicht nur daran, dass er nicht hier war, sondern dass er keine Spuren hinterlassen hatte und nichts mehr an ihn erinnerte.
    Er selbst würde dem Heim mit Greta wahrscheinlich keine Träne nachweinen; die Siedlung am Llanquihue-See war immer mehr ihre Welt gewesen als seine, aber wenn er schon nicht trauern würde, so tat sie es umso mehr – nicht nur um das Haus, sondern weil es nichts Gemeinsames gab, was sie sich aufgebaut hatten. Gewiss, Manuel verband sie und die Liebe zueinander, aber eben nicht die Liebe zu diesem Land. Diese hatte er nie geteilt und würde es auch nicht mehr tun. Wenn sie an einstige glückliche Stunden dachte, so sah sie sie beide nicht einträchtig am Llanquihue-See stehen, sondern auf dem Schiff – ein unsteter Ort inmitten des riesigen Ozeans, voller Gefahren und Herausforderungen, zugleich voller Hoffnungen und Erwartungen in die Zukunft. Ein Ort, wo noch nichts besiegelt war, sondern so vieles offen. Ja, mit Cornelius war sie unterwegs gewesen – hier angekommen war sie jedoch ganz allein, und diese Heimat, die ihr so viel Halt gegeben hatte, fühlte sich ohne ihn plötzlich leer an.
    Tränen perlten über ihr Gesicht und zogen Schlieren durch die Rußschicht. Als sie Schritte hörte, wischte sie sie hastig fort, wodurch sich ihr Gesicht noch schwärzer färbte.
    Annelie war ihr gefolgt.
    »Hast du etwas gefunden?«, fragte sie und schaute schließlich skeptisch auf den einen heilen Teller. »Nun ja«, sie musterte die Trümmer, »man kann hier wieder ein Haus aufbauen, wenn der Gestank erst einmal verzogen ist. Manuel und Emilia sollten hier leben, und …«
    Eigentlich war Elisa entschlossen gewesen, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen, doch nun vermeinte sie, daran ersticken zu müssen, wenn sie mit niemandem darüber sprach.
    »Aber Cornelius wird nicht hier leben«, brach es aus ihr heraus. »Emilia hat ihm geschrieben. Bald wird ihn in Valparaíso die Nachricht
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