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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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In Interviews distanziert er sich
nur äußerst vage und ambivalent von den Zielen Osama Bin
Ladens, und die USA und einige westliche Medien werfen ihm gar die
finanzielle Unterstützung Al Quaidas vor. Dass die einzige
erwähnenswerte saudische Oppositionsgruppierung noch rechts des
Königshauses steht, sagt etwas über die politischen
Realitäten im Königreich aus.
    Wie viele wusste
Abdulaziz nicht, wer hinter dem Pseudonym Hanin stand. „Wir
kennen diesen Hanin nicht“, sagte er. Und dass die wütende
Facebook-Seite König Abdullah einen Dieb nannte, dem es egal
war, dass inzwischen viele Saudis in Armut lebten, konnte Abdulaziz
auch nicht verstehen. „Das ist doch Unsinn. Unser Land ist
ganz anders als Ägypten“, sagte er. „Uns geht es
gut. Wir haben doch alles. Warum sollten wir demonstrieren?“
    So argumentierten
auch viele andere meiner Studenten. Ihnen war sehr wohl bewusst,
dass es den Saudis viel besser ging als den meisten anderen Leuten
der Region.
    Wer wirklich hinter
dem Facebook-Aufruf steckte, war Abdulaziz ohnehin klar. Er
wiederholte ein in Riad weitverbreitetes Gerücht, dass Schiiten
hinter dem geplanten Protest stehen mussten. „Die Schiiten
sind ganz anders als wir“, sagte er mit Abscheu in der Stimme.
„Von denen kommt das. Das weiß doch jeder in Riad.“
    Auch mit dieser
Einsicht befand sich Abdulaziz im Einklang mit der Meinung in seinem
Land. Die Behauptung, dass der Iran, der Erzfeind Saudi Arabiens,
den „Tag der Wut“ geplant habe, um das Königreich
zu destabilisieren, hat der als Reformer geltende Außenminister
Prinz Saud zwei Tage vor dem geplanten Wutabbau öffentlich
gemacht. Irgendein Indiz dafür vorzulegen, war nicht nötig.
Schon an der Universität habe ich schnell gemerkt, dass
Hinweise auf das Land auf der anderen Seite des Persischen Golfes in
Saudi Arabien nicht so gut ankamen. Unter anderen Ländern hatte
ich den Iran als ein Beispiel für die Region erwähnt,
woraufhin mich einer meiner Studenten knapp aufklärte: „Wir
hassen den Iran!“ Und die anderen nickten. Also keine Hinweise
mehr auf den Iran im Unterricht. Das habe ich schnell verstanden.
    Im Stau klärte
mich Abdulaziz über die Machenschaften der Schiiten auf. „Die
haben Massenorgien mit 9-jährigen Mädchen. Sie treffen
sich in einem dunklen Raum und stürzen sich aufeinander.“
Abdulaziz führte die Hände zusammen. „Das ist so ein
Gewimmel.“
    In dem Moment war
ich nicht sicher, ob er mich auf den Arm nahm. Vielleicht machte er
sich lustig über mich. Ich konnte jedoch keine Ironie in seiner
Stimme feststellen. War da ein Kräuseln der Nase oder ein
Funkeln in seinen Augen? Sein Gesicht zeigte nur Abscheu. Meinte er
es wirklich ernst?
    Später bei dem
Fußballspiel, als ich noch einmal vorsichtig nachfragte, gab
er mir den Ratschlag, nie Essen von Schiiten anzunehmen, da es
wahrscheinlich vergiftet sei. Auch das ist ein weitverbreitetes
Vorurteil in Saudi Arabien, habe ich später erfahren. Das
glaubte Abdulaziz. Zumindest sagte er das.
    Ich war erstaunt.
Aber was dachte Abdulaziz von den Protesten in Tunesien, Ägypten
und Libyen? Musste er von denen nicht Parallelen zu seinem Land
erkennen? Musste er daraus nicht sogar Konsequenzen für seine
eigene Situation ziehen? Oder standen hinter den Demonstrationen
auch die Schiiten?
    Die Massenproteste
in den anderen Ländern fand Abdulaziz gut. Tunesiens Präsident
Ben Ali habe den Frauen erlaubt, sich unverschleiert in der
Öffentlichkeit zu zeigen, sagte Abdulaziz, deshalb verdiente er
gestürzt zu werden. Ägyptens Mubarak war schlicht „ein
Dieb“. Und Libyens Gaddafi? „Er ist völlig
verrückt. Keiner weint ihm eine Träne nach.“ Damit
hatten wir den „Arabischen Frühling“ abgehakt.
    Das Fußballstadion
war schon gut gefüllt, als wir schließlich dort ankamen.
Vor den Toren standen Ordner, die grüne Plastikleibchen und
Poster mit dem Konterfei des Königs an alle Zuschauer
verteilten. Ein Stadionsprecher rief die Fans dazu auf, die
Plastikleibchen zu tragen und die Poster über ihren Köpfen
zu schwenken. Viele taten das.
    Die ganze Zeit
wehte ein garstiger Wind durch das Stadion, der einem den Sand ins
Gesicht blies. Der Sand hängte sich einem in die Haare und der
Wind machte den Abend kühl.
    Auf den Rängen
um uns herum saßen fast nur Männer um die zwanzig oder
jünger, aber die Stimmung war seltsam bedrückt. So als ob
der ungemütliche Wind den Zuschauern die Laune davongetragen
hätte.
    In der
Halbzeitpause
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