Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kettenhemd (German Edition)

Im Kettenhemd (German Edition)

Titel: Im Kettenhemd (German Edition)
Autoren: Dieter Reitze
Vom Netzwerk:
stattliches Sümmchen zusammenbringen.
Am Ende dieses langen Tages waren auch die Tiere müde und brauchten ihr Futter. Der treue Arcon hatte Dietrich schon so manche Strecke getragen und ihm im Kampf vertraut. Gutes Futter und einen Platz zum Ausruhen brauchten nun alle gleichermaßen.
Als sie an dem windschiefen Haus ankamen, hörte man das Lärmen der Spießgesellen schon bis vor die Tür. Das Fachwerk der Schenke hatte Mühe, die Last des Hauses zu tragen, und gab dem Druck in allen Richtungen nach. Tiefe Spalten, die man notdürftig mit Stroh ausgestopft hatte, hatten sich im Lauf der Zeit unter den Fenstern gebildet. Das alte Eisenschild mit dem Hahn, welches über dem Eingang hing, war wenig einladend. Es schaukelte im Wind wie die Gehängten an der Straße nach Belfort.
Dietrich übergab die Pferde dem Stallknecht, der die Tiere sogleich mit Futter versorgte.
»Gib ihnen reichlich Hafer, den haben sie sich heute mehr als verdient!«, rief Dietrich dem jungen Kerl mit einem Lächeln zu.
»Oui, Monsieur, ich werde sie auch ordentlich abbürsten.« Der Bursche trug eine Pferdehaut auf dem Leib, die er mit einem Strick um seinen Bauch gebunden hatte.
»Brav, mein Junge, und gib gut auf meine Sachen acht«, gab er dem Stallburschen noch zur Antwort, bevor er die wettergegerbte Eichentür aufstieß und leicht geduckt den Gastraum betrat.
Dieser Türrahmen wäre allenfalls für Zwerge geeignet, dachte Dietrich bei sich. Drinnen stand er vor einer Wand von durcheinander gebrüllten Satzfetzen. Ein grölender Haufen von Männern, die nur zu saufen, anzugeben und Weiber im Kopf zu haben schienen. Als sie dann aber seiner gewahr wurden, verstummten die Stimmen der Saufbolde allmählich. Die prächtigen Helmfedern im Rot, Grün und Weiß der hessischen Truppen und sein Harnisch mit den feinen Eisenschnitten fielen denen wohl noch auf.
An den alten, aber einigermaßen sauberen Tischen saßen Heeresleute jeglicher Couleur. Das offene Kaminfeuer so manchen Winters hatte den Gastraum mit einer dunklen Patina überzogen. Alles wirkte graubraun, aber dennoch nicht ungemütlich.
Dietrich, ein Mann mit stolzer Haltung und im besten Mannesalter, wurde vom Wirt sofort an einen kleinen Tisch geführt und mit Wein versorgt.
»Ich bringe sofort zu essen, edler Herr, und wenn es ein Zimmer sein soll, so kostet es Euch einen halben Livres für die Nacht«, wisperte der krummbeinige Wirt und katzbuckelte mit glänzenden Augen. Der Halsabschneider wollte sein Geld im Voraus, weil die Zeiten so schlecht seien.
Geld hatte Dietrich keines mehr, und zum Versetzen waren ihm seine Dinge zu schade. Die Würfel hatten ihm nie Glück gebracht, und so verließ er sich auf das, was er wirklich gut konnte: Ein Kampf mit guten Wetteinsätzen könnte Dietrich aus seiner momentanen Verlegenheit helfen. Er ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Ein schnauzbärtiger Kollos mit bunten Federn am Helm und Kettenschutz um Hals und Schultern schien für die Aufbesserung seiner leeren Kriegskasse recht gut geeignet. Breitschultrig und kräftig gebaut, machte Dietrich Eindruck auf die ihn anstarrenden Kerle. Sein Gesicht mit den leicht hervorstehenden Wangenknochen und den klugen Augen verlieh ihm ein freundliches, ja sogar gutmütiges Antlitz. Die Tage der Reise hatten seinen Bart sprießen lassen, und er sehnte sich nach einem Bad. Die Narbe unter dem rechten Auge ließ etwas Verwegenes erkennen, wobei seine schmalen Lippen oft den Eindruck erweckten, als würde er lächeln. Wer jedoch seine Freundlichkeit mit Schwäche verwechselte, sah sich bald getäuscht.
Mit großen Gesten und hanebüchenen Geschichten unterhielt der Schnauzbart sein Publikum. Reichlich Wein und lautes Reden sind oft ein Zeichen von Selbstüberschätzung. Die ließ auch nicht lange auf sich warten, als Dietrich im zurief: »He, Ihr mit den hübschen Hühnerfedern am Helm, erzählt mir doch auch etwas von Euren bestandenen Kämpfen!«
»Hühnerfedern? Ich werde Euch gern mal etwas vom Kämpfen lehren«, funkelte der Schnauzbart wild mit seinen tief in den Höhlen liegenden Augen und stürzte auf Dietrich zu. Die Fäuste auf den Tisch gestützt, baute sich der Kerl nur eine Handbreit vor ihm auf. Schnell war man sich über die Kampfregeln einig, und es wurde ein Platz freigeräumt. Dolche sollten es sein, und der direkte Stich zum Töten war verboten.
Die alte Diele mit dem groben Holzboden bot genügend Platz zum Ausweichen und Angreifen. Die langen speckigen Tische hatten die Kerle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher